Von Alexander Fröhlich und Peter Tiede: Ein Kompromiss für die Partei in letzter Minute?
Linke-Wirtschaftsminister Christoffers bemüht sich um Kontakt zu seinen unzufriedenen Genossen
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Potsdam/Beeskow – Gegen Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) werden an der Parteibasis ernsthafte Rücktrittsforderungen laut, die auf dem Landesparteitag Anfang März große Wellen in Potsdam schlagen könnten. Zugleich könnte der Vorstand der Linke-Landtagsfraktion schon am heutigen Montag entscheidende Weichen für Christoffers politische Zukunft stellen – während der Minister selbst im fernen Brüssel weilt.
Nach PNN-Informationen aus Parteikreisen bereitet sich der Vorstand im Streit um die Linie bei unterirdischen Endlagern für klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) „auf den großen Knall“ vor, was die Fraktionsspitze allerdings so dementierte. Die Fraktion werde sich damit in der zweiten Februarwoche befassen, „wir werden in der Familie darüber reden“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Christian Görke. Landesparteichef Thomas Nord kündigte zumindest ernsthafte und klärende Gespräche in dieser Woche an.
Das scheint auch nötig. Denn am Donnerstag will der Linke-Ortsverband Beeskow einen Misstrauensbeschluss gegen Christoffers fassen und beim Landesverband und in der Landtagsfraktion dafür werben. Das sagte Ortsverbandschef Dirk-Detlef Kolbe am Sonntag den PNN. Über den Kreisverband Oder-Spree soll zudem Druck aufgebaut werden, am Ende soll Christoffers auf dem Landesparteitag mit Misstrauensanträgen konfrontiert werden.
Der Minister – parteiintern ohnehin im Ruch, eher ein Industriepolitiker zu sein – hatte sich mit seinem als forsch empfundenen Vorgehen im Genehmigungsverfahren für CO2-Endlager in der Region um Beeskow neue Feinde gemacht. Dort will der Energiekonzern Vattenfall ein Endlager für das klimaschädliche, bei der Verstromung von Lausitzer Braunkohle anfallendes CO2 errichten. Am Freitag erteilte das dem Wirtschaftsministerium unterstellte Landesbergbauamt den Hauptbetriebsplan zur Erkundung der Endlagerstätte bei Beeskow – auf Wunsch des Ministers. Die Vorstände von Landtagsfraktion und Landespartei reagierten entsetzt, weil Christoffers damit von der zuvor intern vereinbarte Linie abgerückt ist – nämlich auf die Genehmigung zu verzichten. Damit sei die Vertrauensbasis zerstört, hieß es. Christoffers sah dies offenbar anders: Für den Minister habe es sich nicht um eine verbindliche Absprache mit der Fraktionsspitze gehandelt, hieß es aus Parteikreisen.
Beim Koalitionspartner SPD hieß es, Christoffers’ Vorgehen sei eng mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) abgestimmt gewesen – aber offenbar eben nicht mit der Linken Spitze. Dort gibt es seit geraumer Zeit Spannungen zwischen einzelnen Protagonisten. So wird Parteichef Thomas Nord und Christoffers ein „nicht ungetrübtes“ Verhältnis zueinander bescheinigt. Christoffers sieht sich auch immer wieder mit dem Gerücht konfrontiert, Finanzminister Helmuth Markov (Linke) habe Wechselambitionen ins Wirtschaftsressort. Dann käme der parlamentarische Geschäftsführer Görke endlich zu seinem geliebten Finanzministerium.
An in den letzten Monaten abgekapselt wirkenden Christoffers, so hieß es am Sonntag, gingen die harten Angriffe aus seiner Partei „nicht spurlos“ vorbei, er habe für sich bereits Konsequenzen gezogen: Christoffers, der sich selbst derzeit öffentlich nicht äußert, habe Kontakt zu Teilen der Parteispitze gesucht und biete seinen parteiinternen Kritikern einen Kompromiss an. Demnach werde sein Ministerium in Sachen CCS und Endlager keinen Forderungen Vattenfalls mehr nachkommen und keine Schritte unternehmen, die das CCS-Vorhaben in irgendeiner Weise über das gesetzlich zwingend Notwendige beschleunigen könnten.
So wird im Wirtschaftsministerium damit gerechnet, dass die Stadt gegen den von Christoffers genehmigten Endlager-Erkundungsplan juristisch vorgehen wird – und, dass Vattenfall beim Bergamt gegen die aufschiebende Wirkung solcher Einwende intervenieren wird. Christoffers wolle nun stillhalten und die aufschiebene Wirkung der Klagen, die sich über Jahre hinziehen können, nicht aushebeln. „Damit läge dann alles auf Eis“, sagte ein Christoffers wohlgesonnener Spitzenlinker.
Ob Christoffers auch seine Kritiker unter den Spitzengenossen besänftigen kann, werden die Krisen-Gespräche in dieser Woche zeigen. Fraktionschefin Kerstin Kaiser geht es darum, in der rot-roten Regierungskoalition so glaubwürdig zu handeln, „dass die linke Position erkennbar bleibt“.
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