Brandenburg: Ein Mord für 1000 Euro
Pferdewirtin Christin R. liegt tot im Gebüsch. Eine Beziehungstat? Jetzt weiß die Polizei: Das Verbrechen in Lübars hat eine Vorgeschichte
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Berlin - Die Stelle im Gebüsch in Berlin-Lübars, an der eine Frau die Leiche der Pferdewirtin Christin R. am Morgen des 21. Juni fand, ist jetzt Gedenkort. „Geliebt und unvergessen“ steht auf einem weißen Porzellanengel. In dem Fall der getöteten Lübarserin gibt es jetzt eine erschreckende Wende: Neben ihrem Ex-Freund wurden auch zwei weitere Männer und eine Frau im Raum Dortmund verhaftet. Offenbar handelte es sich bei dem Tötungdelikt um einen eiskalt Auftragsmord. Das Motiv: Liebe; und Geld aus einer Lebensversicherung. Der mutmaßliche Killer soll die Frau für eine Belohnung von 1000 Euro erwürgt haben.
„Selbst für uns Ermittler, die schon vieles erlebt haben, ist es erschreckend, wenn man sieht, was sich dort für Abgründe aufgetan haben und mit welcher Kaltblütigkeit diese Tat überlegt und inszeniert worden ist“, sagte die Chefin der Berliner Mordkommissionen, Jutta Porzucek, am Freitag. Bei den am Donnerstag im Großraum Dortmund festgenommenen Verdächtigen handele es sich um zwei Männer (23 und 22 Jahre) sowie eine 26-jährige Frau.
Peu à peu führten die Spuren sowie die Funkzellenauswertungen von Handydaten die Ermittler zu der Erkenntnis, dass es sich nicht, wie zunächst angenommen, um eine Beziehungstat handelte, sondern um ein regelrechtes Mordkomplott. Noch am gleichen Tag, an dem die 21-Jährige R. tot in der Grünanlage an einem Parkplatz in der Straße Am Freibad entdeckt worden war, wurde im brandenburgischen Friesack (Havelland) ihr 23-jähriger Noch-Freund Robin H., ein Pferdehofbetreiber, auf seinem Hof nahe Friesack festgenommen. Dann erging Haftbefehl: Er soll seine Freundin erwürgt haben.
Doch schon bald war den Ermittlern klar, dass es keine Tötung im Affekt nach einem Streit war – stattdessen kam immer mehr die Perfidität des Verdächtigen zum Vorschein: So soll nach den Erkenntnissen der Polizei Robin H. einen Auftragskiller engagiert haben. Hierfür bediente er sich der offenbar grenzenlosen Verliebtheit seiner 26-jährigen Bekannten Tanja L., die ebenfalls Pferdebegeisterte ist und aus Dorsten bei Dortmund kommt. Er soll sie gefragt haben, ob sie jemanden kennt, der einen Auftragsmörder besorgen kann, berichtet Chefermittlerin Porzucek.
Tanja L. fragte ihren Bruder (23), der schon einmal im Gefängnis saß und dadurch Zugang zum kriminellen Milieu hat. Mit Erfolg: Ein 22-Jähriger erklärte sich bereit, als Auftragskiller zu agieren, er verlangte 1000 Euro.
„Die 26-jährige Bekannte von Robin H. hat sich offenbar aus Liebe zu ihm an dieser Tat beteiligt. Ihr hat er versprochen, mit ihr eine gemeinsame Zukunft mit einem Pferdehof in Nordrhein-Westfalen aufzubauen“, sagt Porzucek. Finanzieren wollten die beiden das mit dem Geld aus einer Lebensversicherung über 250 000 Euro, die das spätere Opfer Christin R. zugunsten von Robin H. noch kurze Zeit vor der Tat abgeschlossen hat, hieß es.
Doch der Mordplan ging zunächst nicht auf: Robin H. bat Christin R. um ein Gespräch. Diese soll aber schon ein ungutes Gefühl gehabt haben und verlangte, dass die Aussprache nicht bei ihr zu Hause stattfindet, sondern auf dem Parkplatz nahe dem Freibad Lübars. Zu dem Treffen brachte sie eine gute Freundin mit – damit hatten keiner der Komplottbeteiligten gerechnet. Der Auftragskiller saß schon im Gebüsch versteckt - habe aber nun nicht agieren können. Mit viel Geschick brachte der 23-Jährige dann R. dazu, ihre Begleiterin zu Hause abzusetzen. Eine Stunde später gelang es ihm dann erneut, seine Freundin auf den Parkplatz zu locken. Diesmal benutzte er seine mutmaßliche Komplizin Tanja L. als Köder – sie wolle ein Pferd von Christin R. kaufen. „Man trank noch gemütlich Sekt. Dann lockte der Verdächtige das spätere Opfer zum Auto, weil dort angeblich ein Scheck für sie läge. Dann sprang der Killer aus dem Gebüsch und tötete die 21-Jährige“, sagt Oberstaatsanwalt Michael von Hagen.
Die Beamten fanden zudem heraus, dass die Tat nicht der erste Versuch war, die Pferdewirtin umzubringen: Bereits Anfang des Monats soll die 26-jährige mutmaßliche Komplizin Tanja L. versucht haben, R. durch K.O.-Tropfen zu töten. Auch damals gab sie vor, ein Pferd kaufen zu wollen. Laut Polizei trafen sich die beiden in einer Fastfood-Filiale in Berlin, wo Tanja L. dann Christin R. die Substanz in ein Getränk mischte. Doch R. trank nicht viel davon. Wieso dieser Anschlag bereits vor der abgeschlossenen Lebensversicherung über 250 000 Euro ausgeführt wurde, sei den Mordermittlern noch ein Rätsel, sagte Porzucek. „Möglicherweise gibt es weitere Versicherungen." Zu dieser Ungereimtheit passt auch die Tatsache, dass R. bereits im April Opfer eines Messerangriffs geworden war. Die Tat wurde angezeigt: Als Verdächtige wurde die Mutter ihres Freundes Robin H. genannt. Doch die Ermittler zweifeln daran. Sie glauben, dass jemand anderes mit dem Messer auf R. losgegangen ist. Warum aber das spätere Opfer sich offenkundig bereiterklärte, diese Tat auf die Mutter ihres Freundes zu schieben, ist ebenfalls völlig unklar. Im Bericht hieß es, die Mutter leide unter einer psychischen Angststörung und habe Christin R. im Affekt die Schnittwunden zugefügt.
Bei den Ermittlungen unterstützt ein Team der Berliner Mordkommission die Beamten in Dortmund und Recklinghausen. Robin H. bestreitet weiterhin die Tat, hieß es. Die anderen drei Inhaftierten hätten ihre Beteiligung gestanden.
Wie ein Insider sagte, seien der Tatverdächtige Robin H. und dessen Mutter bekannt in der Pferdehalterszene: Vor mehr als einem Jahr hätten Mutter und Sohn versucht, einen Pferdehof nördlich von Mühlenbeck im Landkreis Oberhavel zu kaufen – es sei ihnen aber das Geld ausgegangen. So zogen sie weiter. „Die beiden haben schon öfter versucht, Höfe zu kaufen, aber nie genug Geld gehabt“, sagt der Insider. Auf dem damaligen Hof habe Robin H. auch Christin R., die dort Auszubildende war, kennengelernt.
Im gerade 150 Einwohner zählenden Dorf Wutzetz bei Friesack im Havelland ist die Familie des mutmaßlichen Auftragsmörders Robert H. kaum bekannt. „Die wohnte hier höchstens ein halbes Jahr“, sagt der Nachbar im Liegestuhl seines Vorgartens. „Hier hält es wohl niemand lange aus. Jedenfalls haben wir schon die exotischsten Autonummern gesehen.“ Der im Hof stehende VW-Käfer von Robert H. trägt das Kennzeichen NF, Nordfriesland. Von dort stammt wohl die Familie H. „Wir haben gedacht, dass Mutter und Sohn aus Sylt kommen. Das hatten sie jedenfalls irgendwann erwähnt“, sagt eine Frau gegenüber der Kirche. Robin H. jedenfalls soll sich nur selten in Wutzetz aufgehalten haben. „Er war viel unterwegs, wohl sehr oft in Berlin“, sagt der Mann um die 50.
Wie sich im Dorf erzählt wird, verstanden wohl sowohl Mutter als auch Sohn relativ wenig vom Pferdesport. Die Mutter ist inzwischen nach Mecklenburg-Vorpommern umgezogen, wo sie nach eigenen Aussagen ihren Traumjob gefunden haben soll. Sie arbeitet bei einer Versicherung, teilte sie einem Journalistenkollegen in einem Telefonat mit.
An dem Pferdehof in Alt-Lübars, in dem Christin R. ritt, hängt ein Schild „anno 1895“. Dass so eine Tat passieren konnte, „hat uns alle umgehauen“, sagt eine 84-Jährige, die den Hof an ihren Neffen abgegeben hat. Eine 15-Jährige, die mit ihrem grünen Fahrrad zur Reitstunde fährt, sagt: „Ich grusele mich jetzt, ich gehe abends nicht mehr allein raus.“
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