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Gesicht zeigen. Cottbuser Bürger demonstrieren gegen einen geplanten Aufmarsch der rechtsextremen NPD.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Ein spürbarer Wandel

Forscher bewerten Landesnetzwerk „Tolerantes Brandenburg“ positiv, sehen aber neue Herausforderungen

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Potsdam - Ein sehr positives Resümee haben Wissenschaftler der Universität Potsdam zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ gezogen. Ihr Gutachten, das zusammen mit Forschern der TU Berlin entstand, hebt die Stärke und Leistungsfähigkeit des Konzepts gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hervor. Das landesweite Engagement habe sich bewährt. In den vergangenen Jahren sei ein spürbarer Wandel in der politische Kultur und eine Sensibilisierung gegenüber Rechtsextremismus zu verzeichnen. „Wenngleich weiterhin viel zu tun bleibt“, so der Potsdamer Erziehungswissenschaftler Wilfried Schubarth. Die wachsende Zuwanderung von Asylbewerbern erfordere eine neue Herangehensweise, so müssten Bürger beispielsweise rechtzeitig einbezogen werden, wenn eine Kommune ein neues Asylbewerberheim plane. Es gehe zudem um sachliche Aufklärung, damit Ängste gar nicht erst entstehen. So könne die Einflussnahme der rechtsextremen Gruppen verhindert werden.

Das Wissenschaftlerteam sollte den jährlichen Bericht der Geschäftsstelle des Programms „Tolerantes Brandenburg“ als externe Gutachter ergänzen. Das Programm wird federführend betreut vom Landesbildungsministerium. Besondere Aufmerksamkeit kam im Gutachten der Zusammenarbeit innerhalb des landesweiten Beratungsnetzwerkes sowie den Beziehungen innerhalb dieses Verbundes zu. Gegenwärtig sind 36 Institutionen, auch aus der Wirtschaft, beteiligt. Mit dabei sind etwa die „Opferperspektive“, der Brandenburgische Sportbund, das „Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“. In der Studie wird eine bessere Abstimmung der Arbeit der Koordinierungsstelle und der Netzwerke gegen Rechts mit Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen angeregt. Die Untersuchung wird kommende Woche vorgestellt.

Die Forscher loben vor allem die Etablierung des landesweiten professionellen Beratungsnetzwerkes. Die dauerhafte, weitgehend aus Landesmitteln finanzierte Infrastruktur schaffe Planungssicherheit, so Schubarth. Personelle und finanzielle Kontinuität sei für den Erfolg des Konzeptes mitverantwortlich. „Das Konzept ist bundesweit vorbildlich“, so Schubarth. Positiv sei vor allem zu verzeichnen, dass es rechten Kräften im Land immer weniger gelinge, die Öffentlichkeit für ihre Ideen zu instrumentalisieren. Der Leiter der Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie, Brandenburg (RAA), Alfred Roos, berichtet etwa von einer rechten Facebook-Seite gegen ein Asylbewerberheim, die nach ausreichend bürgerlichem Gegenengagement mit den Worten „dann werdet doch froh mit eurem Heim“ geschlossen wurde. „Den Rechten gelingt es immer weniger in die Gesellschaft einzudringen“, so Roos. Er spricht von einem kulturellen Umbruch in Brandenburg. Zunehmend kämen auch Schüler auf die RAA zu , die sich für Asylbewerber engagieren wollen. „Das ist ein tatsächlicher Wandel, eine ganz andere Situation als in den 1990er-Jahren.“ Auch gehe die Strategie der NPD, auf rechtspopulistische Stimmungen in der Bevölkerung aufzuspringen, nicht mehr auf. Laut Verfassungschutzbericht 2013 ist die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremen seit 2004 mehr oder weniger kontinuierlich zurückgegangen.

Vor dem Hintergrund wachsender Flüchtlingszahlen und der Entwicklung in den strukturschwachen Randregionen stehe das Handlungskonzept laut Schubarth aber nun vor neuen Herausforderungen. Auch sei der Rechtsextremismus selbst im  Wandel, durch neue Medien, Konzertaktivitäten und neue Gruppierungen. Darauf müsse sich das Konzept nun einstellen. Handlungsbedarf bestehe auch darin, in Zukunft eine Balance zwischen dem Kampf gegen rechts und der Demokratieförderung zu finden. Demokratieförderung müsse gestärkt werden – vor allem in Kitas und Schulen. „Bis alle Brandenburger tolerant sind, ist es ein weiter Weg“, sagte Schubarth. Als besonders wichtig sehen die Forscher dabei die Aktivitäten vor Ort an. So müssten in der Peripherie Entwicklungen angestoßen werden, sagte der Potsdamer Humangeograph Manfred Rolfes, Mitautor der Expertise. Er hob Aktivitäten in Vereinen, vor allem den Sportvereinen hervor. „Wenn es hier einen Trainer gibt, der weiß , wie fremdenfeindlichen Stereotypen zu begegnen ist, der eine andere Perspektive bietet als die Eltern oder das Fernsehen, dann ist das ein wichtiges Signal.“ Oder wenn es bei der örtlichen Feuerwehr jemanden gebe, den man bei Problemlen mit Rechten ansprechen könne. Toleranz lasse sich nur über soziale Kontakte fördern. Für Orte, in denen nichts getan wird, weil der Altersdurchschnitt zu hoch ist, oder der Bürgermeister kein Engagement zeige, müssten neue Strategien entwickelt werden. Jan Kixmüller

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