Die Frage der Nachfolge: Ein Staatsanwalt für den Verfassungsschutz?
Bei der Nachfolge für Winfriede Schreiber könnte es eine Überraschung geben – auch wegen der NSU
Stand:
Potsdam - Für die Nachfolge von Brandenburgs Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber, die Ende Mai pensioniert wird, läuft es auf eine Lösung mit Landespersonal hinaus. Zwar wollte sich Innenminister Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch nicht zum Auswahlverfahren für die Leitung der Verfassungsschutzabteilung äußern. Doch nach PNN-Informationen aus Kreisen der Justiz und der Landesregierung wird der Leitende Oberstaatsanwalt Carlo Weber aus Frankfurt (Oder) als aussichtsreichster Kandidat gehandelt. Weber selbst hatte seine Behördenmitarbeiter vor drei Wochen intern informiert, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach die Behörde verlassen und nach Potsdam wechseln wird. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Ministeriumssprecher Ingo Decker sagte: „Das Auswahlverfahren läuft. Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Personalentscheidungen, bis sie vom Kabinett getroffen worden sind.“ Wann dies geschieht, sagte er nicht.
In Regierungskreisen ist auch von anderen Personen die Rede, darunter die SPD-Innenpolitikerin im Landtag, Britta Stark. Allerdings gehen Kenner nicht davon aus, dass sich Woidke für solch eine politische, damit angreifbare Personalie für diesen sensiblen Bereich entscheidet. Auch der Leiter der Stabsstelle für Verwaltungsumbau im Innenressort, Volker- Gerd Westphal, wird als Kandidat genannt. Westphal war bis 2009 im damals von Rainer Speer geführten Finanzministerium und wechselte mit ihm ins Innenressort. Er galt schon als enger Vertrauter von Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb zu dessen Zeit unter Speer im Finanzressort.
Nicht dabei sein soll Gordian Meyer-Plath, beim Verfassungsschutz Leiter des Referats politischer Extremismus, seit 2012 aber kommissarisch Chef des Landesamtes in Sachsen. Er ist in Fachkreisen hoch geachtet, steht für eine neue Generation von Verfassungsschützern und die Öffnung des Dienstes nach außen – und galt intern als Wunschkandidat für Schreibers Nachfolge. Doch steht er derzeit als früherer V-Mann-Führer des V-Manns „Piatto“, der eine umstrittene Rolle in der Affäre um die rechtsextreme Terrorgruppe spielte, zu sehr im Visier der Öffentlichkeit.
Für den bald 62 Jahre alten Juristen Weber spricht vor allem seine Erfahrung. Bis in die 1990er Jahre hatte er die politische Abteilung bei der Staatsanwaltschaft in Berlin geleitet, war für Ermittlungen gegen politischen Extremismus zuständig. Neben einer kurzen Abordnung zur Bundesanwaltschaft machte Weber Karriere in Brandenburg. Erst als Vize-Chef der Staatsanwaltschaft Neuruppin, dann ab 2001 als Leiter der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), wo er im Kampf gegen die grenzüberschreitende Kriminalität die stärkere Zusammenarbeit mit Polen forciert hat.
Auch Schreiber ist Juristin, ihre Karriere begann in Berlin als Verwaltungsrichterin und im Justizsenat, sie wurde in Cottbus Präsidentin des Verwaltungsgerichtes, war von 2002 bis 2004 Polizeipräsidentin in Frankfurt (Oder) und leitete dann den Verfassungsschutz. In ihre Amtszeit fällt zum Teil die Mordserie des Neonazi-Trios NSU. Am Mittwoch räumte sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa Pannen und einen verengten Blick ein. „Wir waren nicht so gut, um solche Morde zu verhindern“, sagte sie. Zugleich verteidigte sie das Engagement des V-Manns „Piatto“, durch dessen – laut Schreiber essenzielle – Informationen Anschläge verhindert wurden. Er hatte Hinweise auf das 1998 untergetauchte NSU-Trio gegeben. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages befasst sich damit. Alexander Fröhlich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: