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Brandenburg: „Ein vergiftetes Geschenk“ Brandenburg kann das Eberswalder Werk haben. Für einen Euro, sagt Bahnchef Rüdiger Grube. Warum das Angebot
des Staatskonzerns faul ist
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Berlin - Das Land Brandenburg kann das Bahnwerk in Eberswalde für einen Euro übernehmen, sonst wird es Ende 2016 geschlossen. Dieses Angebot hat Bahnchef Rüdiger Grube am Freitag in Berlin bei einem Treffen mit Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD), Betriebsräten, Gewerkschaften, dem Eberswalder Bürgermeister Friedhelm Boginski (FDP) und dem Barnimer Landrat Bodo Ihrke (SPD) unterbreitet. Damit ist das Schicksal des Werkes, mit 350 Mitarbeitern größter Arbeitgeber in Eberswalde, weiterhin ungewiss.
Das Land habe Zeit, sich bis 15. Januar zu entscheiden, sagte Gerber. Es sei ein „sehr schwieriges Angebot“. Man werde es „redlich prüfen“ und mit Investoren verhandeln, ob und wie „über eine logische Sekunde“ ein Weiterverkauf möglich ist. „Wir tun alles, um den Industriestandort Eberswalde zu erhalten“, so Gerber. „Aber eines ist klar: Das Land kann und wird kein Bahnwerk betreiben. Wir könnten allenfalls als Mittler fungieren, um den Betrieb umgehend an Unternehmer zu übergeben, die etwas davon verstehen.“
Vor dem Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin, in dem am Morgen die Verhandlungsrunde stattfand, hatten 100 Eberswalder Bahnwerker gegen die Stilllegungspläne des Staatskonzerns und die seit einem Jahr dauernde Hängepartie protestiert. Das Ergebnis ist für die Belegschaft ernüchternd. „Das Ping-Pong-Spiel geht weiter“, sagte Betriebsratschef Ulf Boehnke. „Die Bahn hat sich aus der Verantwortung gestohlen und den Ball zur Politik gespielt.“ Dennoch sei es eine Chance für das Werk, dessen Aus schon besiegelt war. Die Schließung hatte der Bahnvorstand bereits im Oktober 2014 beschlossen, nach Protesten aber noch einmal auf Eis gelegt. Ursprünglich wollte Bahnchef Grube bei dem Treffen am Freitag mitteilen, dass es dabei bleibt. Mit dem Angebot reagierte Grube auf den konzertierten Widerstand Brandenburgs, das auf einen Verkauf zur Rettung des Werkes drängt.
Tatsächlich gibt es es zwei potenzielle Käufer. Einen direkten Verkauf an diese Investoren lehnt die Deutsche Bahn AG aber strikt ab, was Grube bei dem Treffen bekräftigte. Wie aus Teilnehmerkreisen verlautete, begründete Grube seine Ablehnung damit, dass die Angebote zu niedrig seien. Der eine habe zwei Millionen Euro zu wenig, der andere fünf Millionen Euro zu wenig geboten. Die Bahn sei aber auch ihrem Eigentümer, das ist der Bund, verpflichtet.
Ein Bewerber ist die mittelständische Deutsche Eisenbahn Service AG (Desag), die das Eberswalder Werk laut Geschäftsführer Thomas Becken für eine „sechsstellige Summe“ mit 100 Mitarbeitern übernehmen würde. Bei dem anderen Interessenten handelt es sich dem Vernehmen nach um die Münchener Quantum Capital AG, eine in Konzernabspaltungen erfahrene Beteiligungsgesellschaft, die von der Deutschen Bahn AG 2014 bereits die WBN Waggonbau Niesky GmbH erwarb, ein Werk für Spezialwaggons.
Um das Eberswalder Werk durch einen Verkauf zu retten, hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) alle Kanäle genutzt, bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) interveniert. Die Deutsche Bahn AG erklärte nun in einer offiziellen Mitteilung zum Bahnwerk Eberswalde, dass man mit dem Angebot „die Anstrengungen des Landes zur Sicherung des Standortes“ würdige. „Nachdem das Land Brandenburg sich in den bisherigen Verhandlungen optimistisch hinsichtlich der wirtschaftlichen Zukunft des Werkes Eberswalde gezeigt hat, will die Bahn mit ihrem Angebot diesem Engagement Rechnung tragen.“
Wesentliche Bestandteile des Angebots sind neben dem symbolischen Kaufpreis von einem Euro der Übergang des Geländes, von Anlagen und Vorräten sowie derzeit bestehender DB-Aufträge im Werk für 2016. „Darüber hinaus sieht das Angebot vor, dass das Land Brandenburg möglichst alle Mitarbeiter übernimmt, mindestens jedoch 200 Mitarbeiter.“ Bei der bislang geplanten Stilllegung des Werkes müsste die Bahn die 350 Mitarbeiter weiterbeschäftigen und hätte Millionenkosten für die Sicherung des Grundstücks.
Deutlicher als die Landesregierung selbst äußerten sich die Landtagsparteien. Das Angebot wird nächste Woche Thema im Wirtschaftsausschuss des Parlamentes sein. Es sei ein „vergiftetes Angebot“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. „Der Bahn geht es offenkundig in erster Linie darum, die Verantwortung für die Mitarbeiter und mögliche Kosten für einen Sozialplan auf das Land abzuwälzen.“ Auch der CDU-Wirtschaftsexperte Dierk Homeyer nannte das Ergebnis des Treffens enttäuschend. „Ein-Euro-Verkäufe kennt man normalerweise bei maroden Schlössern, die vor einer Nutzung mit hohem Aufwand saniert werden müssen“, sagte Homeyer. „Das Verkaufsangebot für den Standort Eberswalde klingt daher unmoralisch und bietet Raum für Mutmaßungen über die eigentlichen Absichten der Bahn.“ Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers, der früher Wirtschaftsminister war, erklärte: „Es ist der Versuch der Bahn, die Verantwortung auf die öffentliche Hand abzuwälzen – und zwar auf dem Rücken der Beschäftigten.“ Das Agieren der Bahn sei unverantwortlich, „weil es keine wirtschaftlichen Gründe gibt, das Werk zu verkaufen“.
Darauf hatte auch der Betriebsrat mehrfach hingewiesen. Die Auftragsbücher in Eberswalde und dem Werk in Paderborn, wo künftig die Reparatur von Güterwaggons konzentriert werden soll, sind voll. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft fordert Nachbesserungen bei einem etwaigen Verkauf. Vizechef Klaus- Dieter Hommel sagte den PNN, nötig sei eine Rückkehrgarantie für die Beschäftigten, „falls es schiefgeht“.
nbsp;Thorsten Metzner
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