Matthias Platzeck: Eine Glaubensfrage
Trotz der Probleme beim Hauptstadtflughafen denkt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nicht an einen Rücktritt von seinem Posten im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft.
Stand:
„Ich kneife nicht, wenn es schwierig wird“, sagte er. Der Satz stammt aus dem Sommer 2012 – gesprochen nach der Absage der Flughafeneröffnung für den Juni. Und fast genau so klang Matthias Platzeck am gestrigen Montag – drei Eröffnungsabsagen später –, als er nach der Verschiebung auf nun unbestimmte Zeit zu begründen versuchte, warum mit ihm als Chef des Flughafenaufsichtsrates nun aber alles besser werden soll.
Aber wohlgemerkt: Platzeck war bisher der Vizechef des Kontrollgremiums, das bisher schon nichts gemerkt hat. Platzeck und sein Berliner Amtsbruder und Genosse Klaus Wowereit tauschen nur die Plätze im Aufsichtsrat. Zurück tritt von den beiden keiner – nicht als Aufsichtsrat, nicht als Regierungschef. Ein Neuanfang, von dem Platzeck gestern sprach, sieht anders aus. Beide haben bisher im Aufsichtsrat nur eins bewiesen: dass sie es nicht können. Platzeck nennt nun einen Dreiklang sein Ziel: „Transparenz, Klarheit und Wahrheit.“ Klingt gut – nur hatte er schon genug Gelegenheit, mit Wahrheiten für Transparenz und damit eben einfach einmal für Klarheit zu sorgen. Vorbei. Verpasst. Die Zeiten für Selbstversuche zweier überforderter Regierungschefs am BER sollten vorbei sein. Sie hatten ihre Chancen. Nun ist das Geld alle.
Die Zwischensumme des Versagens: Totalschaden. Für das Projekt. Für die Verantwortlichen. Für die Region. Für Fluggesellschaften, Ladeninhaber, Klein- und Mittelständler. Aber vor allem für die Bürger, die mit ihren Steuern und mit Verzicht an anderer Stelle in den öffentlichen Haushalten auf unabsehbare Zeit für dieses Fiasko zahlen müssen. Statt über 2,8 Milliarden reden wir von mehr als fünf Milliarden Euro Kosten – oder neun oder zehn oder noch mehr. Platzeck hat über Monate arrogant und kenntnisarm nur dementiert, was dann doch eingestanden werden musste. Wer soll ihm den nächsten Eröffnungstermin, die nächste Kostenschätzung, das nächste Dementi glauben? Wer glaubt denn wirklich, dass die Aufsichtsräte ahnungslos waren bis Samstag? Vielleicht haben sie ja auch nur den Dezember über Wahrheiten biegen lassen, um die Pleite der Flughafengesellschaft abzuwenden und die dafür nötigen Gelder von den Landesparlamenten, aber vor allem vom Bund bewilligt zu bekommen? Wer weiß? Wer glaubt? Vielleicht glaubt Platzeck ja, bei der nächsten Landtagswahl mit einem dann doch fertigen Flughafen doch noch als Macher statt Versager punkten zu können? Vielleicht nennt er aber auch das Jahr 2015 als neuen Termin – das wäre nach der Wahl. Wowereit muss so nicht rechnen – er ist aus dem Rennen in Berlin. Er nagt die letzte Krume Gnadenbrot.
Platzeck aber hat am Montag sein politisches Schicksal mit dem Flughafen verknüpft. Als könne er bestimmen, wann sein Schicksal als Regierungschef mit irgendetwas verknüpf ist, was er verantwortet. Es hieße ja, dass er sich auch einfach mal entkoppeln kann, dass er es sich aussuchen kann. Er sitzt aber als Ministerpräsident für die Brandenburger im Aufsichtsrat. Da ist sein Schicksal seit Jahren mit dem Gelingen des Flughafenbaus verknüpft – in guten wie in schlechten Zeiten. Erst recht in katastrophalen wie diesen.
Das Problem: Platzeck trägt Verantwortung nur. Er übernimmt sie aber nicht. Er und Wowereit haben das Versprechen, dass sie in ihren Amtseiden abgaben, nämlich Schaden von ihren Ländern abzuwenden, nicht gehalten. Ihre Rücktritte als Regierungschefs gebietet das Ausmaß des Versagens. Das gebietet der Anstand. Sie wären politische Hygiene. Das Gleiche gilt für den Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat, Bundesbaustaatssekretär Rainer Bomba – den muss Bauminister Peter Ramsauer in den Ruhestand oder sonst wohin versetzen.
Es macht am Ende auch keinen Unterschied, ob Platzeck, der es hätte wissen müssen und hätte wissen können, einfach nicht wusste oder ob er die Wahrheit nur nicht sagte. Im Ergebnis ist die Rechnung für die Menschen, denen er zu dienen versprochen hat, zu hoch. Es wird Zeit, dass Verantwortung übernommen wird. Es reicht.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: