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Bilder einer starken Frau. Viele nahmen Abschied in der Akademie der Künste, wo ein Portrait aufgestellt worden war.

© dapd/Stadler

Von Thomas Loy: Eine Heldin, die keine sein wollte

Bewegender Abschied von Bärbel Bohley in der Akademie der Künste und der Gethsemanekirche

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Berlin - Eine Film-Szene aus den 90er Jahren: Bärbel Bohley sitzt kerzengerade auf ihrer Couch, spricht ein Statement in die Kamera, hält plötzlich inne, prustet los, schämt sich, sinkt zurück, lacht „Aus mir wird nicht so’n Medientyp.“ Das Lachen überträgt sich in den großen Saal der Akademie der Künste in Berlin. Rund 400 Menschen sind am Samstagabend gekommen, um Abschied zu nehmen von der verstorbenen DDR-Bürgerrechtlerin und Ikone der friedlichen Revolution.

„Sie wirkte eminent politisch“, sagt ihr Weggefährte, der Molekularbiologe Jens Reich, „und war doch so antipolitisch“. Sie dachte nicht in Strategien und Konzepten, sondern „spontan und chaotisch“ und wirkte nach außen mit überraschenden Äußerungen, die prägend wurden für die gesamte Wendezeit: „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat.“

Die Schauspielerin Katrin Saß zitiert Passagen aus Artikeln und Schriften, die Bärbel Bohley hinterlassen hat. Darin verwahrt sich die ehemalige Kunstmalerin jeder Vereinnahmung, auch der einer „Heldenrolle“, die ihr von vielen Zeitgenossen zugesprochen wird. „Diese historische Rolle lehne ich einfach ab.“ Punkt. Dabei war sie tatsächlich eine „Unerschrockene“, die über Bedenken mit einem Lächeln hinwegging, erinnert sich die Künstlerin Hannelore Offner, die in den frühen 80er Jahren mit Bohley die „Frauen für den Frieden“ gründete.

Woher kam diese Furchtlosigkeit? Als Trümmerkind, 1945 geboren, entwickelte sie offenbar ein „Grundvertrauen“, dass irgendwie alles ins Lot kommt, wenn man sich nur kümmert. Sie hatte gelernt, mit wenigen Mitteln viel zu erreichen. Schon auf der Kunsthochschule in Weißensee zeigte sie ihre „Eigenwilligkeit, die uns andere geradezu einschüchterte“, erzählt ihre damalige Kommilitonin Irena Kukutz.

Als Malerin war sie in der DDR anerkannt, scherte sich aber nicht weiter um mögliche Privilegien, die sich daraus ergeben hätten. Stattdessen fotografierte sie die verwahrlosten Höfe rund um ihre Wohnung in Prenzlauer Berg und schickte die Bilder an die Berliner Zeitung. Als sich nichts rührte, griff sie selber zum Spaten und fing an, ihren Hof zu verschönern.

Ihr Mitstreiter Peter Grimm nennt das „Freude am Aufbegehren“. Politisches und Familiäres floss zu einem fröhlichen Miteinander in Bärbel Bohleys Küche zusammen. Dort wurde diskutiert, getrunken und gefeiert. Als sie nach vielen Jahren in Bosnien in ihre alte Wohnung zurückkehrte, war ihr die Umgebung allerdings fremd geworden. Zu viele modisch gekleidete Mütter, zu wenige Omas, die ihr Wägelchen zum Einkaufen schieben.

In der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg fand am Sonntagnachmittag die Trauerfeier statt. Freunde und Nachbarn konnten an ihrem Sarg Abschied nehmen.

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