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Wildes Brandenburg: Elch-Safari in Brandenburg

Zwei Elchdamen sorgten Anfang der Woche bei Fürstenwalde für einen Stau. Experten erwarten künftig mehr solcher Kurzbesuche.

Von Matthias Matern

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Claudia Wehowsky wollte schon fluchen, da sah sie neben sich durch ihr Beifahrerfenster den Grund für das plötzliche Verkehrschaos: Nur wenige Meter neben ihrem Auto standen zwei Elche. „Ich konnte die Tiere erst gar nicht richtig erkennen. Dachte, es wären vielleicht Esel“, erinnert sich die 46-Jährige aus Fürstenwalde (Oder-Spree). Die auf den ersten Blick für Brandenburg ungewöhnliche Begegnung ereignete sich am vergangenen Montag auf der Bundesstraße 168 kurz vor dem Ort Schönfelde. „Ich war gerade auf dem Nachhauseweg von Arbeit, als die Autos vor mir auf einmal bremsten. das war so gegen 17 Uhr. Als ich erkannte, dass es sich um zwei Elche handelte, habe ich sofort mein Handy gezückt und fotografiert“, berichtet Wehowsky noch hörbar beeindruckt von ihrem Naturerlebnis der besonderen Art.

Doch so faszinierend die Fotos von freilebenden Elchen in Brandenburg auch sein mögen, es war bei Weitem nicht der erste Hinweis auf ihre Anwesenweit in der Mark. An die 100 Sichtungen der weltweit größten Hirschart hat es nach Angaben des brandenburgischen Agrarministeriums seit 1991 zwischen Prenzlau und Cottbus gegeben, der asbolute Schwerpunkt dabei ist – der Landkreis Oder- Spree. Aber auch aus der Schorfheide wurden schon einzelne Exemplare gemeldet. Obwohl er in seinem Revier schon mehrfach Fährten und andere Spuren gefunden hat, die auf den Elch schließen lassen, waren die Fotos der beiden vermutlich weiblichen Tiere vom Wochenende auch für Thomas Weber, Stadtforstdirektor in Fürstenwalde, der erste unwiderlegbare Beweis. Nachdem Wehowsky die Tiere am Montag bei Schönfelde ablichten konnte, hatte ein Kollege von Weber das Doppel einen Tag später knapp 15 Kilometer entfernt im Wald bei Hangelsberg getroffen. „Er konnte sich bis auf rund fünf Meter den Elchen nähern und Fotos machen“, erzählt Thomas Weber. Danach seien die beiden unter anderem noch mal bei Markgrafpieske nahe der Autobahn 12 geshen worden. Dort seien sie durch den Oder-Spree-Kanal geschwommen, sagt Fürstenwaldes Oberförster.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Elch in Mecklenburg und Teilen Ostbrandenburgs durchaus noch Teil der heimischen Tierwelt. Noch bis in die 1970er-Jahre sollen einzelne Tiere in Mecklenburg-Vorpommern erlegt worden sein. Mittlerweile gilt eine ganzjährige Schonzeit. Ohnehin kommt die weltweit größte Hirschart in Mitteleuropa heute nur noch in Tschechien, der Slowakei und in Polen vor. Der Bestand jenseits der Oder wird auf bis zu 16 000 Tiere geschätzt, Tendenz steigend. Die wachsende Population auf begrenztem Territorium ist nach Ansicht von Experten der Hauptgrund für deren Wanderung gen Westen. Zwar gibt es in Polen vergleichsweise große zusammenhängende Wälder, vor allem in Schutzgebieten, doch irgendwann sind auch diese Kapazitäten ausgereizt.

Auf ihrem Weg nach Brandenburg folgen die Tiere alten Fernwechseln, Routen also, die von Elch-Generationen zu Elch-Generation weitergegeben werden. Die Oder stellt dabei kein großes Hindernis dar. Elche sind sehr gute Schwimmer und im Winter wandern die Tiere über das Eis. Vermutlich aber machen sich die Schaufelträger vergeblich auf die Reise gen Westen, meinen Experten. Als Lebensraum komme Deutschland eigentlich kaum mehr infrage, heißt es. Zu wenig Wald, zu viele Straßen und wohl auch zu warm. „Fehlende Störungsarmut“ heißt das im Fachchinesisch.

Immer wieder bezahlen einige der Wanderer ihre Ausflüge mit dem Tod. Laut Agrarministerium sind seit der Wende wenisgtens acht Elche bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. So wurde im September 2012 etwa ein 29-jähriger Autofahrer durch einen Zusammenstoß mit einem Elch auf dem Berliner Ring, der A10, zwischen Rüdersdorf und Erkner schwer am Kopf verletzt. Der 600 Kilogramm schwere Elch hatte den Crash mit dem Pkw nicht überlebt. Im August 2000 dagegen war es zwischen Byhleguhre und Burg (Dahme-Spreewald) zu einem schweren Unfall gekommen. Der beteiligte Linienbus hatte danach aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Obwohl Elche friedliche Zeitgenossen sind, könnte zunehmender Besuch trotzdem zu Problemen führen, befürchten Förster, Landwirte und Naturschützer. Zum einen sei zu erwarten, dass die Zahl der Verkehrsunfälle mit Elchen steigt. Immerhin kann ein Zusammenstoß mit einem Elch schlimme Folgen haben. Bis zu 800 Kilogramm, aber kaum weniger als eine halbe Tonne bringt ein ausgewachsener Bulle auf die Wage. Zum anderen sind Elche wie Rehe echte Feinschmecker und tun sich gerne an frischen Trieben und auf gut bestellten Feldern gütlich – sehr zum Ärger von Förstern und Landwirten. Im vergangenen Jahr hat das Land Brandenburg deshalb einen sogenannten Elch-Managementplan erarbeitet, der laut Agrarministerium eine Art Knigge für den richtigen Umgang mit dem König der nordischen Wälder sein soll.

Für Claudia Wehowsky war es bislang jedenfalls das erste Aufeinandertreffen mit den langbeinigen Riesen. Dabei war sie mit ihrem Sohn schon in einem der ausgewiesenen Elch-Stammländern unterwegs – in Norwegen. Immerhin mehr als 200 000 Exemplare sollen dort leben. „Wir waren sogar ziemlich weit im Landesinneren unterwegs, in der Nähe von Bergen. Einen Elch aber haben wir dort leider die ganze Zeit nicht gesehen“, erinnert sich die Fürstenwalderin.

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