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Ablehnung abgelehnt. Acht Verfassungsrichter haben dem Befangenheitsantrag gegen Gerichtspräsident Jes Möller widersprochen.

© Ralf Hirschberger/dpa

Brandenburg: Elegant geht anders

Das Landesverfassungsgericht lehnt den Befangenheitsantrag gegen Präsident Möller ab. Am Ende könnte das auf das Gericht selbst zurückfallen – eine Analyse

Stand:

Potsdam - Das Verfahren um die von der Landesregierung gekürzten Zuschüsse für die freien Schulen vor dem Landesverfassungsgericht wird nicht unbelastet beginnen können. Acht Verfassungsrichter haben den Befangenheitsantrag der Oppositionsfraktionen im Landtag gegen Gerichtspräsident Jes Möller abgelehnt – und das mit äußerst knapper Mehrheit. Drei der acht Richter sahen die Besorgnis der Befangenheit als gerechtfertig an. Damit wird Möller an der Verhandlung und am Urteil, das noch vor der Landtagswahl fallen soll, teilnehmen.

Was war geschehen? Möller hielt Ende Januar eine Jahrespressekonferenz mit Ausblick auf die wichtigsten Entscheidungen im laufenden Jahr. Dabei äußerte er sich auch zur Klage von 31 Landtagsabgeordneten gegen das seit 2012 geltende neue Finanzierungsmodell für Freie Schulen. Seit 2012 zahlt das Land den Freien Schulen nicht mehr 94 Prozent ihrer Personalkosten, sondern einen jährlich neu ermittelten Betriebskostenzuschuss aufgrund fiktiver Faktoren. Möller sagte sagte noch, ein PNN-Bericht dazu veranlasste die Opposition zu dem Befangenheitsantrag. In dem Bericht hieß es: „Die Schulen sehen es als Kürzung – Möller nennt diese Bezeichnung unglücklich. Er sieht einen Systemwechsel, ein völlig neues, anderes Finanzierungsmodell. Dies ist wohl mehr als begriffliche Haarspalterei: Bei einem Systemwechsel billigt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber oft einen großen, wenn auch nicht unbegrenzten Gestaltungsspielraum zu.“

Die Opposition geht wegen Möllers Äußerungen davon aus, er habe bereits eine Vorfestlegung getroffen und mit dem Begriff Systemwechsel die Position der Landesregierung in dem Normenkontrollverfahren nachträglich gestärkt. Wäre mit dem Begriff Systemwechsel im Gesetz die neue Finanzierung der Freien Schulen begründet worden, Opposition und auch die Freien Schulen selbst hätten vermutlich nie geklagt.

Dementiert oder zurückgewiesen werden die von den PNN wiedergegebenen Äußerungen in dem zehnseitigen Beschluss des Gerichts zum Befangenheitsantrag nicht. Die Schwelle zu einer wertenden Sachverhaltsdarstellung sei aber nicht überschritten, stellten die acht Richter ohne Müller fest. In einem Fall unterläuft das Gericht sogar durch unvollständiges Zitieren des PNN-Berichts den Befangenheitsantrag. „Weiter heißt es in dem Bericht, dass der abgelehnte Richter die Bezeichnung des neuen Finanzierungsmodells als Kürzung ,unglücklich‘ genannt habe“, heißt es im Beschluss. Was fehlt, ist im Vergleich zum PNN-Bericht der Begriff Schulen und damit jeder Bezug zu den Betroffenen und Klägern.

Wohlgemerkt: Drei Verfassungsrichter teilen die Bedenken der Kläger gegen Brandenburgs obersten Richter. Auffällig ist auch: Drei Richter sind keine Berufsrichter, sondern zwei Anwälte und Filmregisseur Andreas Dresen. Die anderen fünf sind Berufsrichter auf verschiedenen Gerichtsebenen.

Volker Symalla, Landesgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Privatschulen, sagt: „Das Verfahren ist jetzt belastet.“ Ein ablehnendes Urteil gegen die Normenkontrollklage werde damit immer einem Verdacht ausgesetzt. CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann hält sich mit Kritik am obersten Gericht des Landes zurück. „Wir nehmen die Entscheidung zu Kenntnis und akzeptieren sie“, sagt Hoffmann. Der ganze Vorgang habe aber bei der Opposition und bei den Freien Schulen Fragen aufgeworfen. Und die Fragen bleiben – und zwar danach, ob Möller unbefangen und unvoreingenommen das Verfahren führt und ein Urteil fällt. Ein Urteil, das für viele Eltern, Schüler und Lehrer weitreichende Folgen haben könnte.

Nun ist es seit einiger Zeit durchaus Mode in der Politik geworden, vor allem im Bund, sich über allzu selbstbewusste Verfassungsrichter zu erregen. Daher ist Vorsicht geboten: Auch in Brandenburg ist das Landesverfassungsgericht als Spitze der Judikative – der dritten Gewalt – jene Institution, die das höchste Vertrauen der Bürger genießt, und das ist ungebrochen. Bislang hatte das nach parteipolitischem Proporz besetzte Gericht keinen Anlass dafür gegeben, dass es parteipolitisch oder nach der herrschenden politischen Farbenlehre im Land entschieden hat – eigentlich im Gegenteil. Es geht also auch die Legitimität des Gerichts selbst, die hier auf dem Spiel steht.

Auch die üblichen Befangenheitsanträge sind von ganz anderer Qualität als in diesem Fall. Dieses Verfahren ist durch die Proteste im Vorfeld aufgeladen. Fingerspitzengefühl wäre gefragt. Auch von SPD-Mitglied Möller.

Und es wäre nichts dabei gewesen, wenn ein Verfassungsrichter wegen Befangenheit nicht an einem Verfahren teilnimmt. Das haben Richter am Bundesverfassungsgericht vorgemacht – selbst beim kleinsten Anschein. Auch Möller selbst hätte diese Situation vermeiden und auch nachträglich aus der Welt schaffen können mit einem rechtlichen Hinweis, wie das Gericht die Sachlage wertet. Er hätte auch einen eleganten Ausweg finden können und in seinen Stellungnahmen zum Befangenheitsantrag den anderen acht Richtern eine Brücke bauen können. Damit hätten sie dann dem Befangenheitsantrag stattgegebenen, ohne Möllers Gesichtsverlust zu riskieren. Sie hätten alle Größe beweisen können. Stattdessen riskiert das Richterkollegium in diesem Verfahren den guten Ruf des Gerichts und das breite Vertrauen zumindest jener betroffenen Eltern, Schüler und Lehrer. Alexander Fröhlich

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