Brandenburg: Elfjährige wochenlang allein gelassen
Die Mutter war aus Berlin zum Freund nach Sachsen-Anhalt gezogen
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Berlin - Ein elfjähriges Mädchen aus Berlin-Lichtenberg ist schon vor fast zwei Wochen von ihrer Mutter verlassen worden und war seither in der Wohnung der beiden völlig auf sich allein gestellt. Erst nachdem Anwohner die Polizei alarmiert hatten, konnte das Kind aus seiner Lage befreit werden. Die Beamten waren am Sonnabend gerufen worden. Anwohner berichteten von einer 26-jährigen Nachbarin, die ein „gestörtes Verhältnis“ zu ihrer Tochter haben soll. Das Kind sei schon häufiger für mehrere Tage allein in der Wohnung gelassen worden. Doch was die Beamten dann feststellen mussten, schockierte: Demnach war die Mutter bereits am 1. Juni zu ihrem neuen Freund nach Sachsen-Anhalt gezogen – die Tochter ließ sie allein zurück. Eine Freundin der Mutter war laut Polizei am Freitag noch einmal in der Wohnung gewesen – doch nicht, um sich um das Kind zu kümmern, sondern lediglich, um die Echsen in der Wohnung zu füttern, wie ein Ermittler sagte. Danach habe sie das Wohnzimmer, in dem sich das Festnetztelefon sowie das Mobiltelefon des Kindes befanden, verschlossen und den Schlüssel mitgenommen.
Die Elfjährige habe keine frischen Lebensmittel, sondern nur Tiefkühl- und Dosenkost zur Verfügung gehabt. Auch saubere Kleidung sei kaum vorhanden gewesen. „Das Kind hatte zwar einen eigenen Schlüssel, konnte also raus und ist auch regelmäßig zur Schule gegangen“, sagte ein Ermittler dem Tagesspiegel. Doch niemand habe sich um das Mädchen gekümmert. „Es sieht auch nicht so aus, dass die Mutter in absehbarer Zeit zurückgekommen wäre, um nach dem Rechten zu sehen“, betonte der Ermittler. Das Mädchen wurde in die Obhut des Kindernotdienstes übergeben. Das zuständige Kommissariat beim Landeskriminalamt ermittelt nun gegen die Mutter wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht.
Die mit dem Fall befassten Ermittler gehören dem bundesweit einzigen Kommissariat an, das sich ausschließlich mit der Bearbeitung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung befasst. Seit dem Wochenende waren ihnen noch zwei weitere Fälle gemeldet worden. Eine Alkoholisierte war mit ihrer Enkelin am Dienstag in Berlin-Neukölln von der Polizei aufgegriffen worden. Ein Zeuge hatte um 5 Uhr gesehen, wie sich eine stark schwankende Frau an einer Brücke auf ein Kind stützte. Er rief die Polizei. Die Beamten sahen, wie die offensichtlich volltrunkene Frau das Mädchen am Arm ergriff und mit ihm über eine stark befahrene Straße gehen wollte. Als die Beamten einschritten, schlug die 43-Jährige um sich. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die Großmutter der Sechsjährigen. Sie sollte sich nach eigenen Angaben für die nächsten Tage um das Kind kümmern. Da auch der Lebensgefährte der Großmutter, der sich in der gemeinsamen Wohnung befand, angetrunken war, wurde die Sechsjährige zu ihrer 27-jährigen Mutter gebracht. Gegen die Oma wird ermittelt.
Bereits am Sonnabend hatte es einen Fall von Kindesvernachlässigung gegeben: In Berlin-Wedding drohte ein Zweieinhalbjähriger von einem Balkon im fünften Stock zu stürzen. Er war dort auf einen Stuhl geklettert. Spielende Kinder konnten den Kleinen durch Rufen dazu bewegen, den Stuhl herabzuklettern. Die Mutter, 26, und ihr Lebensgefährte, 24, wirkten laut Polizei sehr verschlafen, hatten von dem Geschehen nichts mitbekommen. Die Wohnung sei verschmutzt gewesen. Das Kind ist nun in der Obhut des leiblichen Vaters. Tanja Buntrock
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