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Von Thorsten Metzner: Enthüllungen, Rücktritte, Affären

In Brandenburg regiert Rot-Rot seit einem Jahr – die Opposition kritisiert Führungsschwäche von SPD-Regierungschef Matthias Platzeck

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Potsdam - Seit einem Jahr regiert Rot-Rot in Brandenburg. Und die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte SPD/Linke-Koalition kommt aus Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Die Jubiläums-Pressekonferenz im Landtag am Dienstag wurde prompt vom Bericht des Landesrechnungshofs zur Krampnitz-Affäre überschattet, in dem nun offiziell schwere Missstände und Versäumnisse beim Verkauf des Kasernen-Areals im Norden Potsdams unter Ex-Finanzminister Rainer Speer (SPD) gerügt werden. Nun gesteht selbst die SPD erstmals Fehler ein, nachdem Platzeck vor einigen Wochen noch „keinen Schaden“ für das Land erkennen konnte. Fraktionschef Ralf Holzschuher sprach von einem „harten Urteil“, im Finanzministerium sei „nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Kompetenz“ gearbeitet worden. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser betonte, dass alles aufgeklärt und „Konsequenzen gezogen werden“ müssten. Nunmehr hält selbst die Koalition den von der Opposition durchgesetzten Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Immobilien-Affären für sinnvoll.

Während die rot-roten Fraktionschefs das Bündnis trotz allem auf einem guten Weg sehen, „den Sparkurs mit sozialem Augenmaß“ und die erstmals seit 1990 auf unter 10 Prozent gesunkene hervorhoben, exemplarisch auf die Einstellung neuer Lehrer und Kita-Erzieher verwiesen, rechneten CDU, Grüne und FDP mit Rot-Rot – und mit Platzeck ab. Vorlagen hatte man genug: Die nach der Landtagswahl im Herbst 2009 nach 10 Jahren Rot-Schwarz gebildete Koalition hatte erst mit Stasi-Enthüllungen bei den Linken, seitdem mit diversen Affären und Folgen von zwei Rücktritten in der fünfköpfigen SPD-Ministerriege zu kämpfen. Erst hatte die als Superministerin präsentierte, aber mit dem Job überforderte Infrastrukturministerin Jutta Lieske aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, zuletzt verlor Platzeck mit Speer den engsten Vertrauten. Für Zoff sorgte dazu im Sommer die wegen ihrer Notwendigkeit umstrittene, inzwischen aufgehobene Haushaltssperre von Linke-Finanzminister Helmuth Markov. Und die Probleme mit Prestigeprojekten wie dem bundesweit einmaligen neuen Schülerbafög für Gymnasiasten aus ärmeren Familien oder dem geplanten öffentlichen Beschäftigungssektor, der Energiepolitik werden nicht kleiner. Wegen einer Abrechnungs-Affäre bei der landeseigenen LASA liegen in Brüssel seit Ende 2009 EU-Gelder für das Land auf Eis.

Der dramatische Gesamteindruck hat für die Opposition mit Führungsschwäche Platzecks zu tun. „Wir haben einen amtsmüden Ministerpräsidenten, der bei jedem Hochwasser aus dem Urlaub geholt werden muss“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sarkastisch – und übte Kritik am umfangreichen Reiseprogramm des Regierungschefs. „Man hat den Eindruck, dass er eher der Osteuropa-Korrespondent der SPD ist“. Und FDP-Fraktionschef Andreas Büttner sagte, das Land brauche mehr als einen „Charming-Boy“. CDU-Fraktions- und Landeschefin Saskia Ludwig überraschte in diesem Zusammenhang sogar mit der Forderung, dass SPD-Bundestagsfraktionschef und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier – sein Wahlkreis ist Brandenburg an der Havel – Platzeck ablösen soll: Es wäre besser, so die Begründung Ludwigs, wenn Brandenburg von „einem als vertrauenswürdig geltenden Mann, der noch Ansprüche hat“, regiert würde. Grüne und FDP schlossen sich der Forderung nicht an. Und das Wechsel-Szenario selbst ist allerdings, wie es im Umfeld Steinmeiers heißt, eine „Schnapsidee“. Er sei aber erfreut, sagte SPD-Fraktionschef Holzschuher, dass selbst die CDU-Vorsitzende davon ausgehe, „dass nur ein Sozialdemokrat das Land regieren kann.“

Einen  Trost für Rot-Rot gibt es – Kaiser und Holzschuher wiesen darauf hin: Die Brandenburger lassen die Affären und Turbulenzen zumindest bislang kalt. SPD und Linke liegen nach Umfragen in der Wählergunst klar vorn.

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