zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Entlastungskartell“

Zwischen Strafjustiz und Aufarbeitung: Brandenburgs Landtag debattiert Konsequenzen aus Rechnungshofbericht zum BER-Milliardenfiasko. Und der Staatsanwalt ermittelt zu Millionenbetrug

Stand:

Abgeschmettert. Die Opposition im Landtag Brandenburg aus CDU, Grünen, Freien Wählern und AfD drängt auf eine erneute und diesmal unabhängige Prüfung auf Haftung und Schadenersatz gegen den alten Flughafen-Aufsichtsrat unter den Ex-Regierungschefs Matthias Platzeck und Klaus Wowereit (beide SPD). Der soll nach dem Bericht des Landesrechnungshofs seine gesetzlichen Kontroll- und Überwachungspflichten am BER in den Jahren 2010 bis 2013 nicht ordnungsgemäß wahrgenommen haben. Das von den PNN publik gemachte 401-Seiten-Dokument wurde am Dienstag erstmals im Landtag auf einer gemeinsamen Sondersitzung von Haushaltskontrollausschuss und BER-Sonderausschuss diskutiert. Dort scheiterte die Opposition am Veto der rot-roten Regierungskoalition mit dem Antrag, die Haftungsprüfung gegen den Aufsichtsrat zu wiederholen, obwohl dies auch der Rechnungshof empfiehlt. CDU-Oppositionschef Ingo Senftleben sprach von einem „Entlastungskartell“.

Vergeblich hatte auch Rechnungshofdirektor Hans-Jürgen Klees in der Sitzung den BER-Eignern Brandenburg, Berlin und dem Bund nahegelegt, Schadenersatzforderungen gegen den Alt-Aufsichtsrat zu prüfen. „Die Gesellschafter sollten schon aus Gründen drohender Verjährung erwägen, eine erneute Prüfung der Organhaftung vorzunehmen“, sagte Klees. Der Wowereit-Platzeck-Aufsichtsrat war – nach einer laut Hof nicht unabhängigen, befangenen Prüfung in einem Eilverfahren – gegen Warnungen des Rechnungshofes entlastet worden. „Diese Haftungsprüfung zeigt, wie sich wirkungslose Kontrollmechanismen auswirken können“, sagte Klees.

Der CDU-Abgeordnete Sven Petke sprach von im Bericht belegten „systemischen Regierungsversagen“ am BER. „Es war alles darauf angelegt, das Recht zu umgehen und dass niemand niemandem weh tut.“ Der BER werde nicht fertig, aber immer teurer, „und niemand will verantwortlich gewesen sein“. Auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sprach sich dezidiert für eine Haftungsprüfung gegen den Alt-Aufsichtsrat aus. Es gebe klare Hinweise, dass „das Handeln der Organe selbst zu Inbetriebnahmeverzögerungen geführt habe“. Dagegen argumentierte der Linke-Abgeordnete Stefan Ludwig, dass die Organe der Gesellschaft „selbst eine entsprechende Prüfung veranlassen würden“, wenn notwendig. Der SPD-Abgeordnete Ralf Holzschuher versicherte: „Die Koalition will nichts unter den Teppich kehren.“

In der Sitzung kam es zum erwarteten Showdown zwischen Opposition und Koalition. Und zwar vor allem um Linke-Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski, die das Land in der Gesellschafterversammlung vertreten hatte. Weil sie an keiner der zehn Sitzungen im Prüfzeitraum 2010 bis 2013 teilnahm, fordert die CDU ihre Entbindung aller BER-Tätigkeiten und ihren Rückzug aus dem Aufsichtsrat. Dem widersprach Finanzminister Christian Görke (Linke) – unter Verweis auf die abgestimmte, übliche Praxis der drei Eigentümer Brandenburg, Berlin und Bund, bevollmächtigte Ministerialvertreter in die Gesellschafterversammlung zu schicken. Grundsätzlich betonte Görke, dass der BER „kein Ruhmesblatt“ sei, aber Brandenburg die nötigen Konsequenzen gezogen habe. Er verwies auf den Rückzug der Minister aus dem Gremium, auf eine verbesserte Organisation und Kommunikation der Flughafengesellschaft (FBB). „Rückstände werden offen kommuniziert.“ Brandenburg habe auf eine Stärkung der Gesellschaftsversammlung durch politisches Spitzenpersonal gedrängt, wofür es aber „keine Aufgeschlossenheit auf Gesellschafterseite Bund“ gegeben habe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })