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Doppelmord im Wedding: „Er muss wahnsinnig geworden sein“

Nach den Todesschüssen von Wedding fragen sich die Menschen im Kiez, wie Mehmet Yildirim zum Doppelmörder werden konnte

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Vor der Haustür der Familie C. standen am Freitag Polizisten mit Maschinenpistolen – aus Sorge um die verbliebenen Angehörigen. Es sei nicht auszuschließen, sagte ein Beamter, dass Doppelmörder Mehmet Yildirim „seine Mission vollenden“ wolle. Der 25-Jährige hatte am Donnerstagvormittag – nur 100 Meter entfernt – etwa ein Dutzend Schüsse auf ein Auto abgefeuert, in dem seine Ex-Frau Feride mit Angehörigen saß. Die 24-Jährige blieb unverletzt, weil sich offenbar ihre Mutter Nevin schützend auf der Rückbank des Autos über sie geworfen hatte. Die 45-Jährige war sofort tot, von zahlreichen Kugeln getroffen. Ferides Schwester Leyla, 22, starb Stunden später in einer Klinik. Der ältere Bruder der beiden Frauen, Ferit, wurde auf dem Fahrersitz des Autos in den Kopf getroffen. Nach Polizeiangaben schwebte er am Freitag weiter in Lebensgefahr, jedoch habe sich sein Zustand stabilisiert. Die unverletzte Feride konnte der Polizei den Täter sofort benennen. Auch der Ehemann ihrer Schwester Leyla blieb unverletzt, erlitt aber wie Feride einen schweren Schock.

Nach Mehmet Yildirim wurde eine EU-weite Fahndung ausgelöst, jedoch gehen die Ermittler davon aus, dass er sich noch in Berlin oder der Umgebung aufhält. Keinerlei Hinweise gebe es darauf, dass er sich in die Türkei absetzen könnte.

Am Donnerstagabend flog die Polizei extra einen Fährtenhund aus Dortmund ein, jedoch blieb dieser Einsatz ohne Erfolg. Schwer bewaffnete Beamte durchsuchten in der Nacht zwei Weddinger Häuser, dort wollte ihn ein Zeuge gesehen haben. Die Zielfahnder des Landeskriminalamtes werten derzeit alle Angaben aus dem Bekanntenkreis aus. Aus der Öffentlichkeit gingen bis Freitagabend lediglich 20 Hinweise auf den Mann ein. Wegen der Gefährlichkeit des Täters – die Waffe wurde bislang nicht gefunden – steht das Spezialeinsatzkommando für eine Festnahme bereit.

Mehmet Yildirim hatte seine geschiedene Frau Feride C. seit der Scheidung vor etwa einem Jahr mehrfach gewalttätig angegriffen – er ist der Polizei bestens bekannt. Bei diesen Ermittlungen entstanden die Fotos, die die Polizei jetzt veröffentlicht hat. Dem Vernehmen nach hatte die Frau vor Gericht eine Kontaktsperre gegen ihren Ex-Mann durchgesetzt. Ferides Vater soll seine Tochter nach Angaben von türkischen Zeitungen sogar zur Arbeit gefahren haben, weil Yildirim ihr immer wieder aufgelauert haben soll.

Der Todesschütze soll vor sieben Jahren aus dem Südosten Anatoliens nach Deutschland gekommen sein. So berichten es Freunde, die in seiner Nachbarschaft groß geworden sind. Ein lauter Mensch soll Yildirim nie gewesen sein. Yildirim hatte einen kleinen Imbiss im Wedding besessen, bevor er als Kellner in einem Restaurant anheuerte. „Er war mit Feride sehr glücklich“, sagt einer dieser Freunde am Freitag. „Nur ihre Familie hatte schon immer etwas gegen die Beziehung.“ Dass Mehmet deshalb Monate nach der Trennung bis zum Äußersten gehen würde, davon ahnten sie nichts: „Das hätten wir nie gedacht, er muss wahnsinnig geworden sein.“ Die beiden Männer hocken auf der Bank über den Zeitungen und schütteln den Kopf. Dass ihr Freund, mit dem sie noch vor ein paar Tagen hier vor der Dönerbude zusammen Tee getrunken haben, nun zum meistgesuchten Mann Berlin avanciert ist, können sie nicht fassen. „Wir wussten, dass er sehr deprimiert ist“, sagt einer. „Aber so etwas hätten wir ihm nie zugetraut.“ Die beiden beschreiben den Gesuchten als sehr zurückgezogen und ruhig. Ein anderer spricht von einem „unnahbaren Typen“. Über Privates redete er nur selten – vor allem nicht über seine Beziehung. Nach der Trennung von Feride soll sich Yildirim noch mehr isoliert haben. Die Familie der Opfer dagegen wird von Nachbarn als sehr freundlich beschrieben.

Was genau um 10.21 Uhr in der Kolberger Straße passierte, ist unklar. Die Mordkommission sucht Zeugen. Bisherigen Angaben von Augenzeugen widersprechen sich stark. Kadir Taburoglu hat die Momente nach der Tat von seinem Balkon aus aufgenommen. Am Freitag zeigt der Kioskbesitzer sein Handyfilmchen. Zu sehen ist, wie mehrere Menschen zu dem blauen Mitsubishi eilen, um den Opfern zu helfen, viel können sie nicht mehr ausrichten. Der Schütze flüchtete zu Fuß.

Jörn Hasselmann/Katrin Schulze

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