Von Thorsten Metzner: Erfolgreiches Werben
Die SPD- und Linken-Spitzen kämpften am Mittwochabend um Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Die SPD-Basis hatte wenig dagegen. Bei der Linken mahnte Gysi Nachbesserungen an – in der Regierung.
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Altlandsberg/Strausberg - Der Weg für Rot-Rot in Brandenburg ist fünf Wochen nach der Landtagswahl frei. Nach einer aufgewühlten 14-tägigen Debatte in der Partei segnete ein Sonderparteitag der von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten brandenburgischen SPD den Koalitionsvertrag mit den Linken am Mittwochabend mit großer Mehrheit ab. Von 131 Delegierten votierten auf dem Parteitag in Altlandsberg lediglich 14 Genossen (sieben Enthaltungen) gegen das 55-Seiten-Vertragswerk unter dem Titel „Gemeinsinn und Erneuerung“. Die Zustimmung eines Sonderparteitages der Linken, der zeitgleich in Strausberg stattfand, bei Reaktionsschluss aber noch andauerte, galt ebenfalls als sicher.
Bevor die SPD-Parteibasis am Ende deutlicher als erwartet grünes Licht für vierte rot-rote Bündnis in Deutschland gab, für das sich Platzeck überraschend vor zwei Wochen entschieden hatte, erhielt Brandenburgs SPD die volle Rückendeckung von SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Platzeck biete Gewähr dafür, dass „keine DDR-Nostalgie ausbricht“, dass erfolgreiche SPD-Politik „nicht auf den Altären von Geschichtsverdrängung und Populismus“ geopfert werde, sagte Steinmeier, der sich nicht zu bundespolitischen Rückwirkungen äußerte. Es gebe in der SPD „kein Hurrageschrei“ über Rot-Rot. Doch sei die SPD hier „so stark, dass sie sich den Koalitionspartner aussuchen kann“, sagte Steinmeier.
In einer Grundsatzrede bekräftigte Platzeck den Führungsanspruch der SPD für Brandenburg und verteidigte die Entscheidung für Rot-Rot als „Chance für Brandenburg“. „Wir werden die Mitte nicht räumen. Wir sind in den letzten Jahren nicht rechter geworden, für werden jetzt nicht linker“; sagte der SPD-Chef, der stehende Ovationen erhielt. Es sei „kein historisches Projekt“, es werde kein Schlussstrich unter die DDR-Diktatur gezogen. Mit Blick auf Stasi-Verstrickungen führender Linke-Politiker sagte Platzeck: Man könne aus „Fehlern und Irrwegen lernen“. Es gehöre zur Demokratie, nicht mehr in den Freund-Feind-Kategorien einer Diktatur zu denken. Im Gegensatz dazu hob Platzeck den Realitätsgewinn bei der brandenburgischen Linkspartei hervor. Wer Verantwortung übernehme, sagte Platzeck, könne „nicht nach Herzenslust Mehrausgaben fordern“, nicht alle Energieträger ablehnen „und trotzdem erwarten, dass der Strom aus der Steckdose kommt“.
Dagegen äußerte sich Platzeck kritisch zum Zustand des ehemaligen Koalitionspartners CDU. Diese sei strukturell im Land schwach verankert, habe trotz bester Chancen bei der Landtagswahl nicht einmal die 20-Prozent-Marke geschafft und sei intern „tief zerrissen“. Niemand wisse, wer als nächstes das Zepter an sich reiße, sagte Platzeck. Die märkische CDU sei eine Partei, die zur gesellschaftlichen Wirklichkeit nur schwer Zugang findet, „weder mit dem Verstand, noch mit dem Herzen“. Ein in sich zerstrittener Koalitionspartner mit einem anderen Gesellschaftsbild, eine Mehrheit von gerade fünf Mandaten sind nach Worten Platzecks kein „Fundament für eine stabile Regierung“. Zudem wäre Brandenburg mit einer Neuauflage von Rot-Schwarz „gefährlich eng“ ins Fahrwasser der schwarz-gelben Koalition im Bund gekommen, warnte er.
Auf dem SPD-Parteitag gab es auch Kritik an Rot-Rot. Niemand wäre auf die Idee gekommen, die DVU in die Regierung zu holen, warnte Ex-Landrat Wolfgang Ilte. Die Linke werde immer noch von Hardlinern dominiert. „Es sind nicht ein paar Versprengte.“ Er habe mit „der Blanko-Zustimmung Probleme“, sagte Havelland-Landrat Burkhard Schröder. Die Diskussion um Rot-Rot sei zu spät begonnen worden, sagte Ex-Landrat Holger Bartsch. Am Rande beklagte auch die scheidende Sozialministerin Dagmar Ziegler, inzwischen Vize-Chefin der Bundestagsfraktion, erneut die abrupte Entscheidung für Rot-Rot, für die die SPD „vor einem Jahr hätte vorbereitet werden müssen“. Jetzt müsse man das Beste daraus machen, strategisch das Verhältnis zur Linkspartei klären.
Auf dem Linke-Parteitag in Strausberg äußerte Fraktionschefin Kerstin Kaiser Verständnis vor 130 Delegierten für Unmut in den eigenen Reihen, den es etwa in der Energiepolitik gibt, verteidigte aber den „ausgewogenen Kompromiss“. „Ich nehme die Kritik ernst“, betonte sie. Es sei aber verkehrt, von Verrat und Zumutung zu reden. „Enttäuschung ja“, aber mehr sei in den Verhandlungen mit der SPD nicht dring gewesen. Kaiser verwies auf den Einigungen mit der SPD etwa zum Vergabegesetz, zum Mindestlohn, aber auch in der Bildungspolitik. „Entscheidend ist die Richtung“, betonte Kaiser. Es gehe um den Anfang oder das Ende „linker gestaltender Politik“.
Der Linke-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, sprach sich für die Annahme des Koalitionsvertrages für eine rot-rote Landesregierung in Brandenburg aus, auch wenn, wie er einräumte, Kritik an dem Papier gebe. „Wir müssen eine Lösung finden“, sagte Gysi. Aufträge zur Nachbesserung sollten der aber Linksfraktion im Landtag übertragen werden. Er persönlich wäre zufriedener, wenn der Vertrag keine Aussagen zum Personalabbau im Land enthielte, betonte Gysi. Die Landtagsfraktion müsse aufgefordert werden, Stellenkürzungen in diesen Bereichen abzulehnen. Die Linkspartei könne damit ihren Willen zum Ausdruck bringen, bestimmte Bereiche zu schützen, für die sich immer ausgesprochen habe.
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