zum Hauptinhalt

Brandenburg: Erinnerung an Opfer des NS-Regimes

Platzeck: Bundeswehrsoldaten sollen KZ-Gedenkstätte besuchen

Stand:

Oranienburg/Berlin - Rund 300 Menschen haben am weltweiten Holocaust-Gedenktag in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Sachsenhausen der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) rief die in Brandenburg stationierten Bundeswehrsoldaten am Samstag auf, die Gedenkstätte zu besuchen. In dem KZ in Oranienburg seien auch Wehrmachtssoldaten vom NS-Regime gefangen gehalten, gedemütigt und ermordet worden, sagte er bei der Veranstaltung der Gedenkstätte und des Landtags. Dies sei geschehen, weil sie „ihrem Gewissen folgten und Widerstand gegen den mörderischen Krieg der Nazis leisteten“.

„Vor 62 Jahren – am 27. Januar 1945 – wurde das Vernichtungslager Auschwitz, der Inbegriff der faschistischen Tötungsmaschinerie und der Menschenverachtung, befreit“, sagte Platzeck. In der Gedenkstätte wird an diesem Datum jedes Jahr einer anderen Opfergruppe der Nazis gedacht. In diesem Jahr sind es die Opfer der NS-Militärjustiz wie etwa Deserteure. „Das Wissen um die Kraft von Humanität und Zivilcourage ist nach meiner Überzeugung von unschätzbarem Wert für die Erfüllung besonders auch der neuen Aufgaben, die heute vor der Bundeswehr stehen.“

Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, erinnerte daran, dass die Opfer der NS-Militärjustiz erst vor kaum mehr als zehn Jahren öffentlich gewürdigt worden seien. „Bis dahin wurden sie als Drückeberger, Kriminelle oder gar als Landesverräter vielfach diskriminiert und werden es gelegentlich noch bis heute.“ Die deutsche Gesellschaft habe lange gebraucht, bis sie sich der Rolle der Wehrmacht im „Dritten Reich“ gestellt habe, sagte Morsch. Tatsache sei aber, dass besonders die Wehrmachtsfeldzüge in Osteuropa von Anfang an „mit dem Ziel einer vollständigen oder teilweisen Vernichtung von so genannten Rassen und Völkern geplant“ wurden. In Sachsenhausen habe es eine „Sonderabteilung Wehrmacht“ (SAW) gegeben, zu der insgesamt mindestens 800 bis 900 Menschen gehörten.

Der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, Ludwig Baumann, zitierte Hitlers Satz, der Soldat könne sterben, der Deserteur müsse sterben. Mehr als 20 000 Opfer der NS-Militärjustiz seien hingerichtet worden. Bis zu 100 000 Verurteilte seien in Zuchthäuser, Straflager, KZ und Strafbataillone gekommen. Davon hätten nicht einmal 4000 überlebt. Keiner der Wehrmachtsrichter, die die Urteile fällten, sei jemals bestraft worden.

Landtagspräsident Gunter Fritsch bezeichnete den vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog vor elf Jahren angeregten nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus als gut und notwendig. An der Veranstaltung nahmen auch 80 Jugendliche aus Deutschland, Frankreich und Polen teil, die im Rahmen der alljährlichen Jugendbegegnungen des Deutschen Bundestages derzeit in der Gedenkstätte Ravensbrück forschen.

In Brandenburg/Havel wurde an der Gedenkstätte der NS-Euthanasie ein Kranz niedergelegt.

Auch in Berlin wurde am Samstag mit Kranzniederlegungen, Schweigeminuten und einer Demonstration der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Die Grünen nutzten den jährlichen Holocaust-Gedenktag für einen Aufruf zur Verteidigung der Demokratie. „Es liegt in unserer Verantwortung, gegen rechtsextreme, antisemitische und fremdenfeindliche Einstellungen zu kämpfen“, sagte Parteichefin Claudia Roth bei einer Gedenkveranstaltung am Mahnmal Putlitzbrücke in Moabit. Vom dort aus waren während des Zweiten Weltkriegs Berliner Juden in die Vernichtungslager deportiert worden.

Am Berliner Hauptbahnhof demonstrierte die Jüdische Gemeinde für ein Mitspracherecht bei der geplanten Bahn-Ausstellung zur Deportation von Kindern in der Nazi-Zeit. Die Initiatoren fürchten, dass die von der Deutschen Bahn geplante Wanderausstellung „in Seitenbereiche der Bahnhöfe“ verschoben wird. Die als „Nazijägerin“ bekannte Beate Klarsfeld, die ebenso an der Protestkundgebung teilnahm wie Mahnmal-Initiatorin Lea Rosh, bemängelte zudem die Konzeption der Bahn. Mit der Ausstellung soll an die jüdischen Kinder erinnert werden, die zu Zehntausenden auf dem deutschen Schienennetz in den Tod geschickt wurden.

Am Holocaust-Mahnmal waren bei einer Klanginstallation die Stimmen ehemaliger KZ-Häftlinge zu hören. Einige Mahnmalbesucher sagen, die Stimmen müssten hier immer zu hören sein, als eindringliche Mahnung, nicht zu unbeschwert durch das Stelenfeld zu wandern. Zuvor hat am Mahnmal eine Gruppe Iraner der Opfer gedacht. Dem Hass und den Holocaust-Leugnern müsse entgegengetreten werden, fordern sie, gerichtet an die Adresse der iranischen Regierung.

Das Jüdische Museum im Stadtteil Kreuzberg lud zu einer „Langen Nacht des Exils“ ein. Neben der Dauerausstellung wurde dort die Sonderausstellung „Heimat und Exil“ gezeigt, die sich mit der Emigration deutscher Juden nach 1933 beschäftigt. Im Berliner Dom stand zudem ein Benefizkonzert auf dem Programm, dessen Einnahmen der psychosoziale Betreuung von Holocaust-Überlebenden zugute kommen soll. dpa/PNN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })