Brandenburg: Erinnerungslücken
In Brandenburg verrotten viele Baudenkmäler, sogar für die Grundsicherung fehlt das Geld. Eine Stiftung soll helfen
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Potsdam - Die Erinnerung bröselt, sie verfällt zur Ruine. Kein Einzelfall in Brandenburg: Das Brauhaus des Zisterzienserklosters in Himmelpfort (Oberhavel) ist marode. In Gentzrode bei Neuruppin bröckelt ein 1876 im maurischen Stil erbautes Herrenhaus. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark wurde seit Jahrzehnten nichts mehr getan zur Erhaltung des sogenannten Klosters in Niemegk, eines der ältesten sakralen Backsteinbauten der Mark. Alle drei Gebäude sind als bedeutende historische Zeugnisse denkmalgeschützt. Dass man sie dennoch derart vernachlässigt hat – ebenso wie etliche andere geschichtsträchtige Bauten –, hängt mit den gravierenden Lücken der märkischen Denkmalförderung zusammen. Landeskonservator Thomas Drachenberg hat deshalb im Gespräch mit den PNN erneut einen Topf mit Geldern „für erste bauliche Sicherungen“ gefordert. Akut gefährdete Gebäude will er damit „kurzfristig und unkompliziert“ vor dem endgültigenVerfall retten.
Andernfalls würden immer mehr historische Schlösser, Herrenhäuser, Brücken oder Kirchen unwiederbringlich verloren gehen, warnt Drachenberg. Oft erfordert die Erste Hilfe keineswegs allzu großen Summen. Für das Brauhaus in Himmelpfort wären rund 100 000 Euro nötig, bis zu 270 000 Euro würde die Grundsicherung des Klosters Niemegk kosten. Wie diese Gelder aufgebracht und auf welche Weise sie zur Verfügung gestellt werden sollen, das ist allerdings im Potsdamer Landtag, wie berichtet, umstritten.
Der Vorsitzende des Kulturausschusses und FDP-Abgeordnete Jens Lipsdorf bekräftige gegenüber den PNN seine Forderung nach einer Denkmalstiftung für Brandenburg. Diese soll mit Landesmitteln ausgestattet werden und zusätzlich Spenden einsammeln. Lipsdorf: „Denkmäler sind identitätsstiftend. Es gibt etliche Bürger, die dafür gerne spenden oder Erbschaften vergeben.“ Diese Chance dürfe man nicht verschenken. Die rot-rote Koalition hat das Stiftungsprojekt Mitte Februar aber vorerst auf Eis gelegt, obwohl es von Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) unterstützt wird.
Insgesamt stehen rund 13 142 Bauten auf der brandenburgischen Denkmalliste. Im Jahr 2012 musste das Landesamt für Denkmalpflege zwölf geschützte Gebäude zum Abbruch freigeben, 2013 waren es schon 16 Fälle (siehe Kasten). „Diese Tendenz dürfte zunehmen“, befürchtet die Behörde. Jedes zweite der aufgegebenen Gebäude war derart verfallen, dass man es nicht mehr instandsetzen konnte. Bei den anderen wäre eine Sanierung unverhältnismäßig teuer geworden.
Gute Chancen haben laut Thomas Drachenberg nur jene denkmalgeschützten Bauten, „die bestimmte Förderkriterien“ erfüllen. Steht das Gebäude im Stadtgebiet und prägt die kommunale Kulisse, so kann es vom Infrastrukturministerium Gelder aus der Städtebauförderung erhalten, die anteilig von Bund, Land und Europäischer Union (EU) finanziert wird. Lässt sich begründen, dass der Bau den Tourismus unterstützt, so lohnt sich ein Antrag beim Wirtschaftsminister.
Fürstenwalde (Oder-Spree) hat auf diese Weise seit Jahresbeginn den befürchteten Totalverlust seines idyllisch an der Spree gelegenen Jagdschlosses gestoppt. Mit rund 300 000 Euro aus der Städtebauförderung wurden als Sofortmaßnahme Dächer abgedichtet und alle Fensterhöhlen verschlossen (Titelfoto, S. 1). Vergangene Woche besichtigte Drachenberg das Schloss und war erleichtert: „Wir haben Zeit gewonnen, der Verfall ist aufgehalten“, sagte er. Jetzt könne die Stadt in Ruhe Investoren suchen und Nutzungskonzepte entwickeln.
Das Jagdschloss wurde 1699 unter Friedrich I. gebaut, zwei Jahre bevor er sich zum ersten preußischen König krönen ließ. Es gilt als wichtiges Zeugnis aus dessen Tagen. Und es führt auch eindrücklich vor Augen, wie Friedrich der Große rund 50 Jahre später eher auf Ökonomie und Militär denn auf Luxus setzte. Der Alte Fritz ließ das Schloss teils zum Getreidespeicher für seine Soldaten umbauen. Nach der Wende verkam es im Privatbesitz. Als der Eigentümer 2013 verschwand und nicht mehr zu ermitteln war, enteignete ihn die Stadt – und begann mit der bezuschussten Grundsicherung.
Ein Glücksfall, dass sich die Rettungsaktion in Fürstenwalde abspielte, also nicht irgendwo im ländlichen Raum nötig war. „Stünde das Jagdschloss außerhalb des Stadtsanierungsgebietes, so wäre es viel schwieriger oder gar aussichtslos gewesen, dafür Gelder zu bekommen“, sagt der Landeskonservator. Kein Förderprogramm hätte so richtig gepasst. Im Landeshaushalt gibt es zwar einen Topf zur generellen Grundsicherung denkmalgeschützter Bauten sowie zur Restaurierung von Kunstgütern, aber der ist seit 2003 leer.
Manchmal hilft zwar die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wie zurzeit mit Zuschüssen und einer Spendenaktion für die Kolonnaden an der Glienicker Brücke. Oder der Bund gibt Gelder aus Sonderprogrammen frei. Aber Thomas Drachenberg will sein Metier nicht Wohlwollen und Zufällen überlassen. Er wünscht sich eine „verlässliche Kasse“ für Notfälle. In der rot-roten Koalition wird überlegt, dies mithilfe eines Denkmal-Fonds abzusichern. Dieser müsste allerdings verbindlicher finanziell ausgestattet sein als der bisherige, links liegen gelassene Haushaltstopf für akute Denkmalpflege.
Der liberale Kulturausschuss-Vorsitzende und Archäologe Jens Lipsdorf sieht das skeptisch. Außerdem könne ein Fonds keine privaten Zuwendungen und Lottomittel einsammeln, sagt er. Deshalb kämpft Lipsdorf für eine Denkmalstiftung. Ähnliche Einrichtungen, die regelmäßig stattliche Summen verteilen, gibt es seit Langem in Bayern, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern. Daran orientiert entwickelte eine Expertengruppe im Kulturausschuss ein Stiftungskonzept. Das sieht als Grundkapital fünf Millionen Euro aus Landesmitteln vor sowie jährliche öffentliche Zuwendungen in Höhe von 500 000 Euro. Auch das Grundkapital darf verwendet werden, es soll nicht – wie bei Stiftungen meist üblich – als feste Anlage unantastbar bleiben, um Zinserträge abzuwerfen. Dafür sei das Zinsniveau derzeit zu gering, heißt es.
Auf dieser Basis könnte die Stiftung gut Spenden einwerben, meint Lipsdorf – und auch mal „kleinteiligere Beträge ohne langwieriges Antragsverfahren vergeben“. Doch Rot-Rot im Landtag zog die Bremse. Es sei kein Geld dafür da, hieß es. Ein Sprecher des Kulturministeriums findet das schade aber verständlich. „Bald ist Landtagswahl. Da will sich doch keiner mehr finanziell festlegen.“
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