Betrugsprozess gegen Linke-Politiker in Brandenburg: Ermittlungspanne: Jürgens Zeitschaltuhr nicht geprüft
Eine Zeitschaltuhr an einer Lampe ist zum Symbol für die Gier und die betrügerische Absicht von Peer Jürgens geworden. Doch im Betrugsprozess gegen den Linke-Politiker zeigt sich: Die Ermittler haben geschlampt.
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Potsdam - Im Betrugsprozess gegen den Linke-Politiker Peer Jürgens gerät ein angebliches Beweismittel der Staatsanwaltschaft ins Wanken – die Zeitschaltuhr an einer Lampe in Jürgens früherer Wohnung in Beeskow (Oder-Spree). Durch die Anklagebehörde war das Gerät zum Symbol hochstilisiert worden – für eine Gier, mit der Jürgens den Landtag zehn Jahre betrogen haben soll. Beim siebten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Potsdam zeigte sich am Montag: Die Ermittler haben das Gerät bei der Hausdurchsuchung im Juni 2014 nur oberflächlich untersucht.
Ermittler untersuchten nicht, ob die Uhr in Betrieb war
Die Staatsanwaltschaft Potsdam wertet die Zeitschaltuhr in ihrer Anklage als Indiz dafür, dass Jürgens gezielt seine Anwesenheit in Beeskow nur vorgetäuscht habe, um beim Landtag Fahrtkostenzuschüsse zu erschleichen. Er hatte ausgesagt, mit der Uhr an einer Lampe habe er aus Sorge vor Anschlägen durch Neonazis seine Anwesenheit im Urlaub vortäuschen wollen. Ansonsten sei das Gerät nicht in Betrieb gewesen. Auf den Fotos, die Ermittler bei der Durchsuchung machten, ist zu sehen, dass die Uhr ausgeschaltet war. Die voreingestellten Zeiten für das Einschalten der Lampe wurden von den Kriminalbeamten zwar geprüft, nicht aber, ob die Uhr überhaupt funktionsfähig und in Betrieb war. Nicht einmal den Gerätetyp notierten sie. Allerdings bestätigten die Beamten, dass die Wohnung äußerst spartanisch und wenig wohnlich eingerichtet war.
Laut Anklage soll sich Jürgens von 2004 bis 2014 mit falschen Angaben zum Wohnsitz 87 000 Euro an Fahrkosten und Mietzuschüssen vom Landtag erschlichen haben. Statt, wie dem Landtag gemeldet, bis 2011 in Erkner bei den Eltern und dann in Beeskow, soll Jürgens zunächst in Berlin und dann in Potsdam gelebt haben. Jürgens räumte einen Teil der Vorwürfe ein. Dabei geht es um Mietzuschüsse ab dem Jahr 2009 in Höhe von 7400 Euro, die er zurückgezahlt hat. Er kassierte sie für eine Potsdamer Mietwohnung, obwohl er schon in einer Eigentumswohnung lebte. Bei diesem Aspekt der Anklage ist die Beweislage auch eindeutig. Zugleich räumte Jürgens ein, ab 2012 vermehrt mit seiner späteren Ehefrau in der Potsdamer Eigentumswohnung gelebt, die Beeskow Wohnung aber weiter im Wochenwechsel genutzt zu haben.
Staatsanwaltschaft schickt wegen Beweislücken weiter Ermittler in die Spur
Strittig ist der Vorwurf des Fahrtkostenbetrugs in seiner gesamten Zeit als Landtagsabgeordneten von 2004 bis 1014. Sein Festnetztelefon war über mehrere Jahre in Potsdam gemeldet. Allerdings waren die bisherigen Zeugenaussagen, ob Jürgens denn überhaupt auch in Erkner und Beeskow gewohnt und möglicherweise zu Unrecht die Fahrtkostenpauschalen des Landtags kassiert hat, uneinheitlich, die Belastungslage bislang schwach. Die Stimmung in den Verhandlungen ist deshalb zunehmen gereizt, Verteidiger und Staatsanwälte liefern sich hitzige Wortgefechte, das vor Prozessbeginn befürchtete juristische und persönliche Gemetzel ist eingetreten. Zudem versucht die Staatsanwaltschaft bisherige Lücken in der Beweiskette durch nachträgliche Ermittlungen zu heilen. Die Verteidigung liegt deshalb mit der Staatsanwaltschaft im heftigen Clinch, weil die Anklagebehörde trotz der im Prozess geltenden Gerichtshoheit neben dem Prozess die Polizei weiter ermitteln lässt.
Der Prozess wird am 20. Dezember fortgesetzt. Weitere Termine sind im Januar geplant.
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