Exklusiv-Interview: „Es ist nicht mehr Florett, sondern schon heftiger“
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) über ihre Pläne – und die Rückkehr nach Potsdam.
Stand:
Frau Wanka, Sie sind nun schon mehr als 100 Tage Bundesforschungsministerin, die Zeit rast. Verraten Sie es uns bitte, was nervt Sie persönlich in Ihrem Job am meisten?
Schwierige Frage, denn die Arbeit macht mir Freude. Aber wenn mich etwas nervt, dann ist es der Verkehr in Berlin. Sie wissen ja, ich bin ein ungeduldiger Mensch ... (lacht).
Was macht Ihnen am meisten Spaß?
Nach wie vor das Gestalten. Und jetzt sind die Möglichkeiten dafür noch größer. Ich versuche mich immer auf die aktuelle Aufgabe zu konzentrieren und die eigenen früheren Erwartungen und Erfahrungen einzubringen. Also die Zeiten in Brandenburg und Niedersachsen haben schon einen Einfluss auf das, was ich jetzt als Bundesministerin mache.
Wie meinen Sie das?
Schon als Rektorin der Merseburger Fachhochschule hatte ich Vorstellungen, was das Ministerium noch alles tun könnte. Und dann wurde ich selbst Landesministerin, erst in Brandenburg, dann in Niedersachsen. Eine intensive Zeit. In diesen fast zwölf Jahren haben sich Erwartungen, natürlich auch Kritik und projizierte Wünsche an das Bundesministerium angesammelt. Und plötzlich sitze ich selbst auf der anderen Seite.
Muss man im Bund mehr auf der Hut sein, stärker die Ellenbogen ausfahren?
Nein, ich wurde im Bundeskabinett gleich freundlich aufgenommen und habe Unterstützung erfahren.
Was ist anders?
Ein deutlicher Unterschied ist die Medien- und Presselandschaft, auf die man sich einstellen muss. Die Bundespressekonferenz ist anders als die Landschaft in Brandenburg oder Niedersachsen.
Weil der Ton rauer ist, Sie kritischer und härter herangenommen werden?
Nein, das nicht. Aber die Wirkung ist eine andere. Schon manch kleine Äußerung läuft dann eben nicht nur in Brandenburg oder in Niedersachsen, sondern gleich bundesweit. Das ist schon eine Umstellung, die man beachten muss.
In diesem Interview können Sie ohne Bedenken frank und frei alles sagen!
Ja, ja, weil ich die Brandenburger kenne. (lacht)
Am Donnerstag führt Sie Ihr neues Amt nach Potsdam, zur Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft, zu der 600 Gäste erwartet werden, darunter mehrere Nobelpreisträger. Wo steht Potsdam eigentlich innerhalb der deutschen und internationalen Spitzenforschung?
Wenn wir uns allein die drei Max-Planck-Institute in Potsdam anschauen, wird die positive Entwicklung deutlich. Einst aus der Akademie der Wissenschaften hervorgegangen, waren sie in den 90er-Jahren Deutschlands größte Baustelle der Max-Planck-Gesellschaft überhaupt, in Potsdam-Golm. Man kann also sagen: Durch die vielen außeruniversitären Institute und Einrichtungen befindet sich Potsdam in der bundesweiten Forschungslandschaft heute in einer privilegierten Situation. Und die Wissenschaftler, die hier arbeiten, haben international eine hohe Reputation.
In Brandenburg läuft gerade das Volksbegehren gegen die vom Land beschlossene Lausitzer Fusion der Uni Cottbus mit der Senftenberger Hochschule. Auch eine Klage in Karlsruhe ist eingereicht. Es ist aktuell das bundesweit einzige Hochschul-Fusionsprojekt. Wie stehen Sie dazu? Ist das sinnvoll? Glauben Sie, dass das klappt?
Das ist natürlich in erster Linie eine Landesangelegenheit, daher meine Zurückhaltung. Wenn Sie mich aber direkt fragen: Ich finde es wirklich erstaunlich, wie stark die Bevölkerung der Region sich für die Hochschulen einsetzt, egal wie man dazu steht, was dort passieren soll. Das zeigt, dass die beiden Hochschulen, die BTU Cottbus und die Fachschule Lausitz in Senftenberg, wirklich gut verankert sind. Und klar ist auch, dass in dieser strukturschwachen Region eine schlagkräftige Hochschullandschaft gebraucht wird. Man muss darum ringen, die optimale Struktur zu haben.
Aber Brandenburg ist mit der Hochschul-Fusion in der Lausitz über die Empfehlungen der Emmermann-Konzeption hinausgegangen, die auf eine engere Kooperation beider Hochschulen setzte!
Ich habe damals gesagt, dass ich die Vorschläge der Emmermann-Kommission für ausgewogen und gut halte. Es waren kluge Ratschläge. Was danach passiert ist, habe ich nicht zu beurteilen.
Jetzt ist die Verunsicherung groß, auch bei Studenten. Die Frage drängt sich auf: Lohnt es sich überhaupt, sich jetzt für die Lausitzer Hochschulen zu bewerben?
Unbedingt, und zwar unabhängig von der aktuellen Diskussion um die Fusion. Die Studienangebote sind attraktiv. Gute Beispiele sind die Architekturstudiengänge in Cottbus oder die Biotechnologie an der Fachhochschule.
Nach dem Wechsel ins Niedersachsen-Kabinett sind Sie nach Braunschweig gezogen. Leben Sie jetzt eigentlich wieder in Potsdam?
Ja, denn ich habe es immer so gehalten: Wo ich arbeite, da ist auch mein Lebensmittelpunkt. Als ich nach Brandenburg kam, hatte ich mir in Potsdam eine Wohnung gesucht. Die Jahre in Niedersachsen wohnte ich in Braunschweig. Die Stadt erinnerte mich ein bisschen an Potsdam, hatte für mich auch einen starken Bezug zu Wissenschaft und Kultur. Mein Mann kam an den Wochenenden, hat viele schöne Ecken von Niedersachsen gesehen, Wendland, Weserbergland, Ostfriesland. Unsere Wohnung in Potsdam haben wir aber nicht aufgegeben. Denn in der Politik ist ja nichts für die Ewigkeit. Mit Braunschweig bin ich zwar noch eng verbunden, aber meine dortige Wohnung habe ich nicht mehr. Mein Lebensmittelpunkt ist wieder Potsdam. Ich freue mich, dass ich wieder in der Stadt bin, die mir über die vielen Jahre doch sehr vertraut wurde.
Wie sehen Sie das Drama um den drohenden Parkeintritt in Sanssouci, um die gescheiterte Tourismusabgabe und die mögliche Bettensteuer, um die in Potsdam erbittert gestritten wird?
Schon in der Zeit, als ich Stiftungsratsvorsitzende war, wurde von der Schlösserstiftung alles ausgelotet. Wir haben den freiwilligen Parkeintritt probiert, versucht, gute Lösungen zu finden. Das hat nicht funktioniert. Die Größenordnungen, die das einbrachte, haben nicht gereicht, um die Pflegedefizite in den Parkanlagen beheben zu können. Der Stiftungsrat hat vor diesem Hintergrund einen eindeutigen Beschluss gefasst. Damit muss die Stadt jetzt umgehen. Ich finde schon, dass die Stadt mit in der Verantwortung für die Parkanlagen ist. Für Potsdam sind die Schlösser und Parkanlagen nun einmal ein wichtigesAushängeschild, von dem die ganze Stadt profitiert.
Wäre für Sie im Notfall, wenn Potsdam seinen Beitrag nicht auf die Reihe bekommt, auch ein Parkeintritt akzeptabel?
Jetzt ist die Stadt am Zug. Ihre Entscheidung muss man sehen.
Wie oft gehen Sie in Sanssouci, im Neuen Garten oder in anderen Parks spazieren?
Leider zu wenig, die Zeit war knapp in den letzten Jahren in Niedersachsen. Aber ich kenne die Anlagen gut. Und ich genieße es jeden Tag, wenn ich zu Hause aufwache, den Blick über den Tiefen See auf den Babelsberger Park, auf den Flatowturm schweifen lasse, auf die wechselnden Grüntöne, das vorbeiziehende Wassertaxi oder hinüber zur Schiffbauergasse. Das ist wunderbar.
Sie sind, zunächst, Bundesforschungsministerin bis zur Bundestagswahl im Herbst. Was haben Sie sich unbedingt noch vorgenommen?
Ich habe zum Amtsantritt gesagt, dass bis zur Bundestagswahl noch schwierige Aufgaben zu lösen sind. Der Hochschulpakt ist jetzt unter Dach und Fach, was nicht leicht war. Auch die Qualitätsoffensive für eine bessere Lehrerbildung kann starten, wovon auch Brandenburg profitieren wird. Wir haben es aber auch geschafft, dass ein Lehrerabschluss überall in Deutschland, egal, wo man ihn erwirbt, ohne Wenn und Aber anerkannt wird. Das war der Kompromiss, auf den sich die Länder einigen mussten, damit der Bund die gesamten Kosten für die Qualitätsoffensive übernimmt. Was noch aussteht: Ich plädiere weiter für eine Grundgesetzänderung, dass der Bund auch Hochschulen - bislang Landessache - mitfinanzieren und, was für Deutschland insgesamt von Bedeutung ist, auch ein Stück mitgestalten kann. Auch beim Bafög sind wir schon weiter und haben den Ländern Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Das Thema ist mir wichtig, denn es geht auch um Bildungsgerechtigkeit. Vorangekommen sind wir auch bei der nötigen Konzentration der Energieforschung in Deutschland, Stichwort Energiewende. Und nicht zuletzt: Es geht immer auch um das Vordenken, auch für die Zeit nach der Bundestagswahl, also um Konzepte, was wir in den nächsten Jahren im Wissenschaftsbereich wollen.
Was Sie jetzt nicht schaffen, machen Sie dann nach der Wahl als Bundesministerin im neuen Kabinett eben weiter?
(lacht). Also jetzt kommt es darauf an, das ordentlich zu tun, was nötig ist, sich auch für ein gutes Wahlergebnis zu engagieren. Alles andere ist später ein Thema.
Der Wahlkampf für die Bundestagswahl im Herbst ist angelaufen. Kommt man in Berlin eigentlich noch zum Regieren?
Selbstverständlich, aber man merkt den Debatten im Bundestag schon an, dass auf Wahlkampfmodus umgestellt ist. Es ist nicht mehr Florett, sondern schon heftiger. Eine substanziellere, inhaltlichere Diskussion, ein Austausch von Argumenten, wäre mir lieber. Aber Wahlkampfzeiten haben ihre eigenen Gesetze.
Werden Sie nach Ihrer Potsdam-Rückkehr jetzt wieder stärker in der Brandenburger CDU einsteigen, wo Sie Landes- und Fraktionschefin waren?
Nein, ich bin in Niedersachsen in der CDU geblieben, im Braunschweiger Landesverband, bin auch im Landesvorstand des Gesamtlandes kooptiert. Ich werde mich aber natürlich im Bundestagswahlkampf auch in Brandenburg einbringen.
Das Interview führte Thorsten Metzner
ZUR PERSON:
Johanna Wanka, Jahrgang 1951, ist in Rosenfeld geboren, einem Ort im heutigen Sachsen-Anhalt. Sie wuchhs dort auf, machte im Jahr 1970 in Torgau das Abitur, erlernte parallel den Beruf der Agrotechnikerin. Sie studierte bis 1974 an der Universität in Leipzig Mathematik. Danach ging sie an die Hochschule Merseburg, wo sie in der Wendezeit das Neue Forum mitgründete, 1993 Profssorin wurde und ein Jahr später Rektorin. Von 2000 bis 2009 war sie Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg, zwischenzeitlich CDU-Landesvorsitzende, ehe sie als Ministerin für Wissenschaft nach Niedersachsen wechselte, als erste Ostdeutsche in einem West-Kabinett. Seit Anfang 2013 ist Wanka Bundesforschungsministerin. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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