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Brandenburg: „Es wird weiter getrickst“

Nach der BER-Aufsichtsratssitzung herrscht weiter Streit um den nachgebesserten Lärmschutz

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Potsdam - Ortwin Baier schließt seinen Frieden – mit Partei und Regierung. Der Bürgermeister von Mahlow-Blankenfelde, der unmittelbar an der Piste des Willy-Brandt-Airports Schönefeld und am meisten vom Fluglärm bedrohten Gemeinde wohnt, hatte lange wegen des bisherigen Billig-Schallschutzes mit der Landesregierung und der eigenen SPD über Kreuz gelegen. Doch am Freitag war Baier des Lobes voll für den „überfälligen Durchbruch“, wie er den PNN sagte. Er danke Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und den anderen Vertretern Brandenburgs im Aufsichtsrat, dass er die „menschenverachtetende Blockade-Politik Wowereits“ beim Schallschutz gestoppt habe, dass der unsägliche sogenannte „Klarstellungsantrag“ der Flughafengesellschaft und auch die Klage gegen das OVG-Schallschutzurteil zurückgezogen werde und erstmals ausreichend Mittel für einen vernünftigen Schutz der Anwohner bereitgestellt werden. „Ich denke, damit kann man leben. Dies wird die Stimmung befrieden. Das ist in Ordnung“, sagte Baier.

Schließlich stehen künftig für jeden der betroffenen zehntausend Haushalte im sogenannten Tagschutzgebiet, der am schwersten betroffenen Fluglärmzone unmittelbar in der Einflugschneise, rund 40 000 Euro mehr zu Verfügung. Bislang waren es im Durchschnitt je Wohnung lediglich rund 7000 Euro, womit nie ein rechtskonformer Schallschutz möglich war. Dass künftig das Schutzniveau mit dem Berechnungsfaktor von 0,49 Überschreitungen des Zimmerlautstärkepegels von 55 Dezibel pro Tag immer noch leicht von der Null-Grenze des Oberverwaltungsgerichtes abweicht, das keine einzige Überschreitung erlaubte, hält Baier für „vertretbar“. Man könne so einen guten Schallschutz gewährleisten.

Doch es gibt auch andere Stimmen, die auch die jüngsten Schallschutz-Beschlüsse und den Schwenk des Flughafens viel kritischer sehen. Und die Problematik wird auf der von der CDU erzwungenden Sondersitzung des Landtages zum BER-Debakel am kommenden Dienstag eine Rolle spielen.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel kritisierte, dass man immer noch nicht bereit sei, die Vorgaben des OVG „eins zu eins umzusetzen“. Es sei offen, ob die neue Rechenmethode in einem Klageverfahren vor dem OVG Bestand haben werde. Rainer Genilke, Verkehrsexperte und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, sprach von einem „faulen Kompromiss“, mit dem „der Lärmschutzschwindel weitergeht“. Er warf Platzeck vor, das Infrastrukturministerium zum Rechtsbruch gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) angewiesen zu haben. Das OVG habe klare Vorgaben zum Lärmschutz gemacht und lässt keine andere Deutung als null Überschreitungen der 55 Dezibel zu.

Ähnlich äußerte sich der Anti-Flughafen-Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVVB). „Auch eine Halbierung eines Betruges bleibt ein Betrug“, so der BVBB-Vorsitzende Achim Stefke. Er verwies auf den bestandskräftigen Planfeststellungbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004, der innerhalb des Tagschutzgebiets baulichen Schallschutz verlangt, der im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern eine Überschreitung der Maximalpegel von 55 Dezibel generell ausschließt. „Es wird weiter getrickst“, sagte auch der SPD-Abgeordnete und Flughafenkritiker Christoph Schulze. „Bisher war es ein großer Diebstahl. Jetzt ist es ein kleiner. Aber es ist ein Diebstahl.“

Und der Würzburger Anwalt Wolfgang Baumann, der betroffene Anwohner vertritt, droht bereits mit einer neuen Klage. Die Auslegung sei „nicht akzeptabel“, sagte er. „Es stimmt nicht mit dem überein, was das OVG entschieden hat.“ Dass die im Infrastrukturministerium angesiedelte Planfeststellungsbehörde das mittrage, lasse Zweifel an deren Unabhängigkeit aufkommen. „Sie kommt dem Flughafen entgegen, weil Brandenburg Gesellschafter ist.“ Der Flughafen selbst will beim Schallschutz aber nun schnell neu starten.

BER-Sprecher Ralf Kunkel forderte die Anwohner, die noch keinen Antrag gestellt haben, auf, dies jetzt vorzunehmen. Der Flughafen werde bei der Umsetzung helfen. Die bisher erteilten 16 000 Fehlbewilligungen müssen neu berechnet werden.

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