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Er gehörte zu den „Aufbauhelfern“ aus dem Westen. Anders als viele andere blieb der Kölner. Nun freut sich OLG-Präsident Wolf Kahl auf Reisen im Wohnmobil.

© Marion van der Kraats/dpa

Brandenburg: „Et kütt, wie et kütt“

Er gehörte zu den „Aufbauhelfern“ aus dem Westen und ist hier heimisch geworden. Jetzt freut sich OLG-Präsident Wolf Kahl auf den Ruhestand in Brandenburg an der Havel

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Brandenburg/Havel - Als 1989 die Mauer fiel, hätte Wolf Kahl nie gedacht, dass dieses historische Ereignis auch für ihn zum Wendepunkt werden würde. „Ich hatte keinerlei Kontakt zur DDR“, sagt der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG). Im Sommer 1991 erreichte ihn jedoch überraschend der Anruf, ob er in Brandenburg beim Aufbau der Justiz mithelfen wolle. Im Oktober wechselte Kahl zunächst nach Potsdam ins Ministerium, später ging es in die Havelstadt Brandenburg. Dort ist er bis heute – und wird es auch nach seiner Pensionierung bleiben. Der Rheinländer ist an der Havel heimisch geworden.

Zum Unverständnis vieler Bekannter in der Heimat ist der gebürtige Kölner bereits 1994 mit Sack und Pack nach Brandenburg gezogen. „Das hat der Familienrat damals beschlossen“, schildert er. Bei seinen Zwillingen – heute 35 Jahre alt – habe damals ohnehin der Wechsel zum Gymnasium angestanden. Die Älteste blieb zwar zunächst noch ein Jahr im Rheinland, weil sie kurz vor dem Abitur stand. Sie kam jedoch hinterher, wurde Rechtsanwältin und lebt heute samt Familie in Brandenburg/Havel.

Neben dem Häuschen in Brielow ein Grund mehr für Kahl und seine Frau, in der Region zu bleiben. „Eigentlich haben wir nie in Erwägung gezogen, zurückzugehen“, sagt der 65-Jährige. „Unsere sozialen Kontakte sind hier.“ Dazu beigetragen hat, dass es in der Havelstadt eine Karnevalstradition gibt. „In Köln war ich im Männerballett aktiv“, erzählt der Jurist und strahlt. Klar, dass der „kölsche Jung“ schnell Mitglied des Brandenburger Karnevalsvereins (BKC) wurde. So wild wie in Köln geht es da nicht zu, aber nicht minder spaßig.

Auch Kultur und Menschen liegen dem Juristen am Herzen: Er gehört unter anderem dem Theaterförderverein an, ist Mitglied im Rotary Club. Hinzu kommen Tätigkeiten im juristischen Bereich: Seit 1994 ist Kahl in der Brandenburger Juristischen Gesellschaft engagiert, seit 2006 als Vorsitzender. Die rheinischen Töne gehören längst dazu: Das „kölsche Grundgesetz“ – eine Zusammenstellung mundartlicher Redensarten – kennt inzwischen wohl jeder in seinem Umfeld. „Es wird fast immer zitiert, wenn es um meine Person geht“, sagt Kahl schmunzelnd.

„Et kütt, wie et kütt“ („Es kommt, wie es kommt“) sei sein persönlicher Favorit, so der Jurist. Diese Philosophie habe er in den vergangenen Jahren oft vermitteln müssen – beispielsweise, wenn Richter erfolglos auf eine Beförderung gewartet hätten. „Da hilft nur Geduld, viel Geduld.“ Er selbst verfügt jedoch auch nicht immer darüber. „Man kann mich nicht immer und stets als sanftmütig bezeichnen“, sagt der passionierte Hobby-Koch Kahl, der nun im Wohnmobil auf Reisen gehen will.

Zum 1. Juli räumt der OLG-Präsident sein Büro. Fast zehn Jahre leitete er das Haus – erst als Vizepräsident, seit 2011 als Chef. Damit war er für 30 Gerichte und fast 3000 Beschäftigte im Land verantwortlich. Die Strukturen dafür hat er mit seinem Wechsel nach Brandenburg geschaffen.

Auch der künftige OLG-Präsident wird Geduld brauchen. Drei große Themen sieht Kahl auf diesen zukommen: Erstens: Bleibt es bei den bisherigen Einsparplänen für die Justiz, müssen insbesondere Strafkammern geschlossen werden – und Prozesse dauern noch länger. Zweitens: Da in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung die Justiz neu aufgebaut wurde, gab es viele Neueinstellungen – und nun gehen die Juristen nahezu gleichzeitig in Pension. Drittens: Gerichtsvollzieher sind wegen neuer Aufgaben völlig überlastet, zudem fehlt es an Nachwuchs.

Kahls Nachfolger wird voraussichtlich auch aus Nordrhein-Westfalen stammen. Das Justizministerium will keinen Namen nennen. „Wir wollen die Nachfolge jedoch zügig regeln“, sagt Sprecherin Maria Strauß. Nach dem Willen von Minister Helmuth Markov (Linke) solle die Personalie im Richterwahlausschuss Mitte Juli besprochen werden.

Seinen letzten Dienstherrn Markov schätzt der OLG-Chef als „durchsetzungsstark“. Insgesamt jedoch teilt er die Sorge vieler Richter und Staatsanwälte, die zuletzt mit einer Demonstration in Potsdam für Schlagzeilen sorgten. Sie befürchten, dass die Justiz kaputt gespart wird. Sie leide zunehmend an einem Bedeutungsverlust in Brandenburg, meint Kahl. Ein Indiz sei, dass das Ressort noch nie von einem SPD-Minister geleitet worden sei. „Ich fände es schön, wenn es anders wäre“, sagt der Sozialdemokrat.

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