
© Steyer
Brandenburg: Fabrik mit Hut
Eine Halle von Weltruf baute Mendelsohn 1923 in Luckenwalde. Nun ist sie eine Ruine – und kann am Wochenende letztmalig besucht werden – dank eines Kunstvereins
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Luckenwalde - Die Suche nach der von Architekturkreisen als „weltberühmt“ gelobten Mendelsohnhalle in Luckenwalde gelingt nicht auf Anhieb. Entlang der Industriestraße im Süden der Kreisstadt im Fläming reihen sich zwar mehr oder weniger ansehnliche Fabrikgebäude aneinander, aber nirgendwo ist der vermeintlich markante und daher unübersehbare große Hut auf dem Dach zu entdecken. Erst auf der dritten Runde durchs Viertel bleibt der Blick an einem verfallenen Eingangsgebäude hängen. Die Türen sind zwar verrammelt und daher unpassierbar, doch ein Stück weiter steht ein Tor im Zaun, zum Glück offen. Von dieser Stelle aus ist der riesige Hut nicht zu übersehen. So ein Bauwerk gibt es tatsächlich nirgendwo ein zweites Mal.
Das offene Tor verdankt der Besucher einem Kunstprojekt, das die alte und zum Glück wieder originalgetreu wiederhergestellte Halle noch bis zu diesem Wochenende nutzt.
Wie sich nach dem ersten Rundgang zeigt, wirken die Ausstellung des Brandenburgischen Künstlerinnenverbandes „Gedok“ und die Architektur des Gebäudes gleichermaßen faszinierend. Mehr als ein Dutzend Fotografien, Kunst-Installationen und Videofilme beleben die Halle. Der Ausstellungstitel „Los-Lösung“ erschließt sich vor allem beim Blick auf die bewegte Geschichte der Fabrik. „Das Thema steht hier nicht als Bruch, Trennung oder Verwerfung, sondern für Aufbruch, Wandel und Veränderung“, beschreibt Gerlinde Förster, die Brandenburger Gedok-Vorsitzende, die Idee.
Tatsächlich hat das zwischen 1921 und 1923 nach einem Entwurf von Erich Mendelsohn gebaute Schmuckstück eine Menge Brüche erfahren, sodass es beinahe in Vergessenheit geriet. Selbst die meisten Architekturführer verwiesen beim Namen Mendelsohn bis vor einigen Jahren nur auf den Einsteinturm in Potsdam, manchmal noch auf die Schaubühne in Berlin. Dabei nannte der Architekt seine für die Unternehmer Steinberg und Hermann erdachte Fabrik seine „beste Arbeit“. Das heute so genial erscheinende Dach in Form eines Hutes war aber nicht nur als optischer Blickfang gedacht. Vor allem die beim Färben der wöchentlich 6000 hier hergestellten Hüte entstehenden Dämpfe sollten durch die Konstruktion möglichst rasch ins Freie abziehen. In den angrenzenden Werkhallen erleichterte viel Tageslicht das Arbeiten.
Doch mit der Machtergreifung der Nazis 1933 endete die Hutfabrikation an dieser Stelle. Nun produzierten Arbeiter hier Kanonen und Luftabwehrraketen. Das Hutdach verschwand im Krieg, um den angreifenden Bomberflugzeugen die Orientierung zu erschweren. 1945 ließ die siegreiche Rote Armee zunächst alle Maschinen als Reparationsleistung wegschaffen und danach in den leeren Räumen ihre Panzer warten. 1956 zogen die Einheiten auf die riesigen Übungsplätze zwischen Luckenwalde und Jüterbog. Die völlig veränderte Hutfabrik wurde ein Jahr später zum VEB Wälzlagerwerk, in dem 1300 Arbeiter Tag und Nacht Kugellager für Maschinen herstellten. Der mit viel Hoffnung verbundene Kauf des Betriebes 1990 durch ein West-Unternehmen endete ein Jahr später in der Pleite.
Leerstand und Vandalismus machten die Fabrik zum Schandfleck. Während Denkmalschützer von einem „Weltdenkmal für das expressionistische Bauen“ sprachen, fehlte es in der Stadt an Konzepten. 1997 freute sich im Tagesspiegel der damalige Chef der Luckenwalder Wirtschaftsförderung über die Idee einer großen Kart-Bahn in der Halle. Dazu sollten Computerspiele und Gaststätten, aber nicht das ursprüngliche Dach kommen.
Doch es kam anders: Ein Berliner Unternehmer kaufte die Fabrik im September 2000 für einen Euro. Aus der geplanten Textilsortierung und Putzlappenproduktion wurde zwar nichts, dafür gelang mithilfe eines Fördervereins die Auszahlung von Bundesmitteln für die denkmalgerechte Restaurierung. An Konzepten für eine dauerhafte Nutzung fehlt es aber weiterhin.
Vielleicht hilft ja jetzt die Kunstausstellung. Bürgermeisterin Elisabeth Herzog von der Heide wünscht sich jedenfalls einen „Anstoß bei vielen Menschen“. Diese sollen die Fabrik einmal mit anderen Augen sehen – und vielleicht auch die Stadt.Claus-Dieter Steyer
Die Hutfabrik Luckenwalde mit der Gedok-Ausstellung in der Fabrikstraße ist am Wochenende von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Am Sonnabend wird um 16 Uhr eine Inszenierung mit Hutskulpturen und am Sonntag um 17 Uhr ein musikalischer Abschluss geboten. Infos: www.gedok-brandenburg.de
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