Brandenburg: Fahrtenbuchaffäre: Ex-Staatssekretäre verklagen das Land Das harte Vorgehen des Finanzministers könnte sich rächen – und es sind Unterlagen verschwunden
Potsdam - Die Affäre um falsch geführte Fahrtenbücher für Dienstwagen von Ministern und Staatssekretären schlägt voll auf das Finanzministerium zurück. Im schlimmsten Fall muss das von Helmuth Markov geführte Ressort für Steuernachzahlungen von Ministern und Staatssekretären aufkommen.
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Potsdam - Die Affäre um falsch geführte Fahrtenbücher für Dienstwagen von Ministern und Staatssekretären schlägt voll auf das Finanzministerium zurück. Im schlimmsten Fall muss das von Helmuth Markov geführte Ressort für Steuernachzahlungen von Ministern und Staatssekretären aufkommen. Grund sind Schadensersatzklagen zweier ehemaliger Staatssekretäre vor dem Arbeitsgericht in Potsdam. Weitere könnten folgen. Mehrere, auch amtierende Staatssekretäre drohen der Landesregierung mit Prozessen vor dem Verwaltunsgericht. Zudem ist es im Finanzministerium nach PNN-Informationen zu Pannen gekommen. Insgesamt zwölf Fahrtenbücher eines amtierenden Staatssekretärs für das gesamte Jahr 2010 sind in Markovs Ministerium verschwunden und nicht mehr zu finden. Das bestätigte der Staatssekretär den PNN.
Der frühere Umweltstaatssekretär Dietmar Schulze (SPD), der heute Landrat in der Uckermark ist, und Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Kürger (CDU), heute Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus, haben wegen der Steuernachzahlungen Klagen eingereicht. Sie fordern, dass das Finanzministerium die Kosten für die nachträglich erhobenen Steuern aufgrund von schlampig geführten Fahrtenbüchern übernimmt.
Im Zuge der Dienstwagenaffäre von Ex- Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD), der im Januar 2011 zurückgetreten war, weil er mit einem Allrad-BMW als Testwagen in den Winterurlaub gefahren war, hatte Markov 212 Fahrtenbücher der Regierungsmitglieder rückwirkend bis 2007 prüfen lassen. 191 Fahrtenbücher, also 90 Prozent, wiesen Mängel auf und wurden für ungültig erklärt. Selbst in Fällen, in denen Regierungsmitglieder stets ihre Kalenderblätter direkt einhefteten. Auf Markovs Weisung wurde nachträglich die Ein-Prozent-Regelung angewandt und die örtlich zuständigen Finanzämter der Betroffenen informiert, die dann Einkommensteuern nachforderten. Damit hat der Nutzer eines Dienstwagens monatlich ein Prozent des Bruttolistenpreises zu entrichten. Dies ist bei teuren Regierungskarossen finanziell ungünstiger als die Abrechnung per Fahrtenbuch.
In den bemängelten Fahrtenbüchern sind Privatfahrten korrekt angegeben worden, es fehlen aber genaue Angaben über besuchte Behörden und Firmen. Allerdings war dies über Jahre gängige Praxis beim Brandenburgischen Landesbetrieb (BLB), der dem Finanzministerium untersteht und der die Fahrer gestellt hat. Markov aber sah sich zu einem harten Vorgehen wegen des Gleichheitsgrundsatzes verpflichtet. Das könnte ihm nun auf die Füße fallen. Selbst Ministeriumsmitarbeiter waren sich dem Vernehmen nach über das Vorgehen unsicher, auch ein Gutachten säte Zweifel. In einem Schreiben an Regierungsmitglieder, die Markovs Praxis beklagen, bestätigte das Ministerium nun sogar, dass der BLB bis 2011 die alten Fahrtenbücher geprüft und deren Richtigkeit bestätigt habe. 2009, zum Antritt von Rot-Rot, gab es ein Handbuch für Regierungsmitglieder, aus dem hervorging, dass der BLB alles regelt und sie sich um nichts zu kümmern brauchen.
Im Einzelfall geht es um hohe Summen. Durch falsch geführte Fahrtenbücher entstand laut Ministerium für alle Regierungsmitglieder von 2007 bis 2011 insgesamt ein geldwerter Vorteil von mehr als einer Million Euro. Je Regierungsmitglied schwankt der nachträglich zu versteuernde Vorteil zwischen 900 und 26 600 Euro pro Jahr. Wenn die Kläger Erfolg haben, würde das Land nachträglich für Steuernachzahlungen aufkommen, die nicht einmal komplett im Land bleiben, sondern mit Bund und Kommunen geteilt werden. Rund 20 frühere und amtierende Regierungsmitglieder haben die Steuernachforderungen zwar teils gezahlt und 2012 angekündigt das Geld vom Land zurückzufordern. Einige warten jetzt das Verfahren in Potsdam ab.
Die Betroffenen bemängeln, dass die Fahrtenbücher nicht von ihnen selbst, sondern von Fahrern des BLB geführt wurden. Allerdings seien sie nicht – so die Argumentation der Kläger – über verschärfte Regeln informiert worden und hätte keine Chance gehabt, die Unterlagen selbst auszufüllen oder zu korrigieren. Clemens Appel, der bis 2009 Chef der Staatskanzlei unter Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war und das Vorgehen der aufmüpfigen Ex- und Noch-Regierungsmitglieder koordiniert, sagt: „Es gehört nicht zu den Obliegenheiten von Ministern und Staatssekretäre, Fahrtenbücher zu führen. Das Land haftet, wenn die Fahrer die Fahrtenbücher fehlerhaft geführt haben.“
Wie das Verfahren im Fall von Schulze und Krüger ausgeht, bei denen es um 20000 und 10000 Euro geht, ist unklar. Ende Juni war ein Schlichtungsversuch mit dem Ministerium vor dem Arbeitsgericht Potsdam gescheitert. Am 1. August findet eine öffentliche Verhandlung statt. Bei Schulze und Krüger ist das Arbeitsgericht zuständig, weil sie Angestellte waren. Bei anderen, die politische Beamte sind oder waren wie Appel, ist das Verwaltungsgericht zuständig. Der Ex-Staatskanzleichef hat bei Platzeck eine Schadensersatzforderung von 15 000 Euro eingereicht. Die wurde abgelehnt. Wird auch Appels Widerspruch abgelehnt, landet der Fall vor dem Verwaltungsgericht. Gleiches gilt für drei amtierende, teils langjährige Staatssekretäre.
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