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Brandenburg: Fall Henkel wird zur Belastungsprobe SPD-Chef und Regierender Bürgermeister schweigen zur Affäre
Die Opposition sieht die Koalition wanken
Stand:
Berlin - Offiziell halten die Fronten. Da ist auf der einen Seite die empörte Opposition und auf der anderen Seite die rot-schwarzen Regierungsvertreter, die Henkel treu zur Seite stehen. Nur so stabil wie es derzeit wirkt, ist das Gebilde nicht. Unschön sei die Situation, heißt es bei vielen in der Berliner SPD. Die Sozialdemokraten wissen, dass der Fall Henkel kein reines CDU-Problem ist. Und die SPD wählt zwei Wege, mit Henkel und seinem Krisenmanagement umzugehen. Die einen verteidigen ihn vehement. So beispielsweise Thomas Kleineidam, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Er habe trotz des Streits zwischen der Bundesanwaltschaft und Henkel nichts an den Darstellungen des Innensenators auszusetzen, sagte er. Dieses Spiel wolle er nicht mitspielen, das, meint Kleineidam, führe vielmehr zu einem Vertrauensverlust in die deutschen Sicherheitsbehörden. Auch glaube er nicht, dass Henkel lüge. Schließlich könne auch der Innensenator nicht alles selbst machen und jede Akte lesen.
Andere in der SPD aber, auch das ist auffällig, kritisieren Henkel relativ stark. Eva Högl, die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete und Obfrau der Sozialdemokraten im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, gehört dazu. Auffällig sind aber auch jene in der SPD, die schweigen. Landeschef Jan Stöß beispielsweise. Er hatte als einer der wenigen in der SPD Henkel am Montag nicht vorbehaltlos unterstützt, und kritisiert, dass dieser einen Sonderermittler einsetzen wolle. Jetzt schweigt Stöß erstmal. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat sich ebenfalls noch nicht zur Causa Henkel geäußert – auch nicht mit einer Unterstützungsaussage für seinen Innensenator und Stellvertreter.
Auch in der CDU regt sich vorerst kein offener Widerstand gegen Henkel, wenngleich auch da hinter vorgehaltener Hand viele Christdemokraten nicht glücklich sind mit dem Krisenmanagement des Innensenators. Offiziell aber stehen sie zu ihm. Der Ehrenvorsitzende der Berliner CDU, Eberhard Diepgen, stärkte seinem ehemaligen Büroleiter den Rücken: „Die Krise wird im Ergebnis Henkel eher stärken, auch mental. So etwas muss man mal durchstehen.“ Der Vorwurf, Henkel habe absichtlich etwas verschleiert, sei unsinnig. Vorwürfe, die Berliner Sicherheitsbehörden hätten in der Strafverfolgung der NSU-Verbrechen versagt, beziehen sich auf Vorgänge, die vor Henkels Amtszeit lagen. Und bei der Zurückhaltung von Informationen gegenüber dem Untersuchungsausschuss des Bundestages habe sich Henkel gegen eine mögliche Beeinträchtigung der Ermittlungstätigkeit der Bundesanwaltschaft entschieden. Dies sei im Nachhinein eine falsche Abwägung – aber kein Anlass zu einer aufgeregten Skandalisierung. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel griff die Opposition für ihre Kritik an Henkel scharf an. „Die Vorwürfe gegen Frank Henkel sind sachlich falsch, politisch ehrabschneidend und menschlich unanständig. Das durchschaubare Ziel, den beliebtesten Berliner Politiker zu beschädigen, ist für jeden erkennbar“, sagte Steffel.
Doch insbesondere Grüne und Linke bleiben bei ihrer Kritik. „Statt aufzuklären verwickelt sich Henkel täglich in neue Widersprüche“, warf die Chefin der Grünen-Fraktion, Ramona Pop, dem Innensenator am Mittwoch vor. Die Mitglieder der Koalition deckten und schützten sich zwar gegenseitig. Dennoch taumle Rot-Schwarz „wie ein angeschlagener Boxer“ – der nächste Schlag könne das K.o. bedeuten. „Und wenn Henkel fällt, fällt der ganze Senat“, prognostizierte Pop. Denn Rot-Schwarz sei auf der „Wowereit-Henkel-Connection“ gegründet. Zwei Rücktritte von Senatoren, der Pannen-Airport, der Streit um die Liegenschaftspolitik – „niemand ist mehr handlungsfähig in der Koalition“, sagte Pop. Der Senat verfalle in eine Schockstarre und das sei „lähmend für die ganze Stadt“. Benedikt Lux, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, sieht Henkel als Gejagten. „Henkel selbst hat noch kein Aufklärungsinteresse gezeigt, denn alles, was bisher bekannt geworden ist, kam heraus, weil die Opposition und die Öffentlichkeit Druck gemacht haben“, sagte Lux. Gleichzeitig forderte er Henkel und die Bundesanwaltschaft auf, für Klarheit in ihrem „unerträglichen Streit“ zu sorgen. „Nur noch peinlich“ nennt der Fraktionschef der Linken, Udo Wolf, Henkels Reaktion auf die Darstellungen der Bundesanwaltschaft, wonach es keine Absprachen gegeben hatte, und sich eine Weiterleitung von Informationen an den Untersuchungsausschuss deshalb verboten hätte. Spätestens ab März dieses Jahres, als Henkel selbst Kenntnis von dem Berliner V-Mann mit Verbindung zur Thüringer Terrorzelle erhielt, „trägt er – und niemand anders – die politische Verantwortung“, sagte Wolf. „Stattdessen hat er das Berliner Parlament und den Untersuchungsausschuss des Bundestags im Unklaren gelassen und belogen. Aus freien Stücken und höchstpersönlich“, so Wolf.
R. Schönball und C. Tretbar
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