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Alexander Schönborn zeigt Brustimplantate – oben alt, unten neu.

© M. Thomas

Brandenburg: Fehlerhafte Brustimplantate auch in Berlin

20 Frauen meldeten sich allein bei bekannten Medizinrechtsanwalt. Bislang keine Fälle in Brandenburg

Stand:

Berlin/Potsdam - Auch in Berlin sind Frauen fehlerhafte Brustimplantate der französischen Firma PIP eingesetzt worden. Das berichtet der Medizinrechtler Jörg Heynemann: Allein bei ihm hätten sich in den vergangenen Tagen 20 Frauen gemeldet. Der Fachanwalt will sich gleich nach Jahreswechsel mit seinen Mandantinnen besprechen. Bei rund einem Drittel der betroffenen 20 Frauen seien die minderwertigen Implantate für die nach einer Brustkrebstherapie notwendige Rekonstruktion der Brüste verwendet worden. Die anderen Mandantinnen hätten sich aus rein ästhetischen Gründen operieren lassen. Im brandenburgischen Gesundheitsministerium sind hingegen bislang noch keine Fälle bekannt geworden, sagte Sprecherin Alrun Kaune-Nüßlein. Das Gesundheitsministerium habe die Landesärztekammer, die Landeskrankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Vereinigung allerdings erst am 23. Dezember aufgefordert, aktuelle Zahlen über die Verwendung der französischen Implantate zu liefern.

Das im März 2010 aufgelöste Unternehmen PIP soll wegen schlechter Umsätze jahrelang ein billiges Industriesilikon verwendet haben. Dieses Material reißt schneller. Das französische Gesundheitsministerium hatte kürzlich 30 000 Frauen eine vorsorgliche Entfernung der Silikonkissen empfohlen. In den Niederlanden wurden am Dienstag 1000 Patientinnen aufgerufen, einen Arzt wegen der Implantate aufzusuchen. Einen befürchteten Zusammenhang von PIP-Einlagen und höherem Krebsrisiko haben Mediziner nicht bestätigt.

Anders als in vielen Ländern existiert in Deutschland kein gesetzliches Implantateregister. Viele Kliniken stellen dies zwar freiwillig aus, nirgendwo aber ist zentral erfasst, wer wann welches Implantat erhalten hat. Mediziner schätzen, dass etwa 100 000 Berlinerinnen Brustimplantate tragen. Bei Tausenden davon könnte PIP-Material verwendet worden sein. Auch die Senatsgesundheitsverwaltung hat keine Informationen über die Anzahl von in Berlin eingesetzten Brustimplantaten. Ein Überblick ist kaum möglich, da sich viele Frauen in Privatkliniken oder Praxen niedergelassener Schönheitschirurgen behandeln lassen – oft im Ausland. Die größte Klinikkette der Stadt, Vivantes, teilte auf Nachfrage mit, keine PIP-Produkte verwendet zu haben.

Auch im Potsdamer St. Josefs Krankenhaus wurden die französischen Implantate nicht verwendet, sagte Alexander Schönborn, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Alle in der Klinik behandelten Patientinnen seien darüber bereits informiert worden. Bislang hätten sich in der Potsdamer Klink auch keine Frauen gemeldet, denen die risikobehafteten Implantate eingesetzt wurden, so Schönborn. Er rät allen betroffenen Patienten zum Implantatswechsel ohne Eile. „Grundsätzlich ist das kein dramatischer Eingriff.“ Generell seien moderne Brustimplantate aus Silikon sicher. Die Komplikationsrate von Brustoperationen in der ästhetischen Chirurgie liege bei unter fünf Prozent, so Schönborn. „Die Implantate haben heute eine völlig andere Qualität als noch in den 80er und 90er Jahren.“

Noch ist unklar, was die Krankenkassen bei den notwendigen Nachoperationen bezahlen werden – möglicherweise etwa nur die Entnahme der alten Implantate. „Es ist eine Frage des Anstands, die Betroffenen nicht allein im Regen stehen zu lassen“, so Chirurg Schönborn. Man dürfe die Implantate nicht aus Kostengründen im Körper lassen.

Der Berliner Medizinrechtler Heynemann will indes versuchen, von den Nachlassverwaltern der französischen PIP neben Schadensersatz auch Schmerzensgeld zu bekommen. Zunächst müsste das Material entnommen, dann neues eingesetzt werden. Zusammen kosten die Eingriffe bis zu 30 000 Euro. Hinzu kämen Schmerzensgeldansprüche, nicht zuletzt, weil auf jede OP eine lange Heilungsphase folgt. „Dafür sollten wir mindestens 10 000 Euro fordern“, sagte Heynemann. Der Berliner Anwalt gilt in Prozessen wegen Behandlungs- und Medizinproduktefehlern als erfahren. Sollte man sich nicht außergerichtlich einigen, sagte Heynemann, könne er vor dem Berliner Landgericht klagen, da die Implantate hier eingesetzt worden seien. Die Kliniken selbst dürften kaum belangt werden können, auch sie gelten als von PIP getäuscht. Der Hersteller konnte alle nötigen Qualitätszertifikate für seine Produkte vorweisen.

Seit 2004 sollen in Deutschland mindestens 19 PIP-Implantate gerissen sein. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat noch keine endgültige Empfehlung getroffen. Bisher heißt es, zur „ individuellen Risikoabwägung“ sollten operierte Frauen mit ihrem Arzt sprechen.

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