zum Hauptinhalt

Brandenburg: Fehlfarben

Ein beliebter Berlin Auktionator hat Bilder gefälscht. Als das aufflog, nahm er sich in Brandenburg das Leben. Nun sucht die Polizei mögliche Käufer

Stand:

Die Geschichte mit den geerbten Bildern hat er im ganzen Haus erzählt. „Die Lou“ sei ganz früher eine Geliebte von Rilke gewesen, später dann sei er mit ihr zusammengewesen. So erzählte es Detlef Gosselck und so glaubten es Freunde und Nachbarn. „Die Lou“ ist die bekannte Malerin Lou Albert-Lasard (1885-1969). Seit Mittwoch ist klar: Alles gelogen, die Bilder sind gefälscht.

Am 12. November war nach Hinweisen aus dem Kunsthandel die Galerie des 73-Jährigen in der Kyffhäuserstraße in Schöneberg durchsucht worden. Zwei Tage später habe der Studienrat und Kunstlehrer ein umfassendes Geständnis abgelegt, teilte die Polizei mit. Er habe zugegeben, bereits seit 2003 Fälschungen im Stile von Lou Albert-Lasard hergestellt und verkauft zu haben. Am Sonntag wurde dann die Leiche von Gosselck gefunden, in seinem Auto in einem Wald bei Trebbin (Teltow-Fläming). Die Polizei geht von einem Suizid aus. Seine Frau hatte ihn bereits vermisst gemeldet.

Die Staatsanwaltschaft geht von 100 000 Euro aus, die der Lehrer mit den Bildern verdient hat. Doch viele hat er auch verschenkt. Eine Nachbarin berichtet, dass sie einen der bekannten Flamingos bekam. „Ich habe mich zwar gewundert, dass er so großzügig ist“, sagt die Nachbarin. „Detlef hatte immer viele Geliebte“, sagt ein andere Nachbarin, die ihn gut kannte. Deshalb hätten ihm alle die Geschichte mit der Erbschaft von „der Lou“ abgenommen. Bei den Kindern im Haus hieß er „Detlef mit dem Hut“.  Die Galerie habe er als Hobby aufgezogen.

Den Fall brachte nach Informationen dieser Zeitung die Villa Grisebach ins Rollen, eines der bedeutendsten Kunstauktionshäuser Deutschlands. Grisebach hatte mehrere Werke versteigert und dann Hinweise bekommen, dass etwas nicht stimmt. Diese Hinweise leitete Grisebach an die Polizei weiter, die Ermittlungen übernahm das darauf spezialisierte Kunstkommissariat. Grisebach hatte zuerst einige wenige Bilder aus dem verdächtigen Fundus aufgekauft, den Prüfern war dabei nichts aufgefallen. Erst als dem Auktionshaus mehr Bilder von verschiedenen Quellen angeboten wurde, schöpfte man Verdacht. „Alle Blätter sahen sich sehr, sehr ähnlich“, sagt Geschäftsführerin Micaela Kapitzky. Mittlerweile sei der Rückkauf der ersten Bilder abgewickelt.

Die Kripo sucht nun weitere Käufer der Aquarelle und Gouachen und handcolorierten Lithografien, die Gosselck in Umlauf brachte und die angeblich in den 1920er-Jahren entstanden. Die Arbeiten zeigen nach Polizeiangaben Motive des Berliner Stadtlebens aus den Zwanzigerjahren. Um sie als Erbe zu deklarieren, hatte der 73-Jährige sie mit einem Nachlassstempel versehen. Diesen Stempel fand die Polizei bei ihm.

Viele Bilder sind auch für einen guten Zweck versteigert worden. „Wir sind erschüttert über seinen Tod. Er hat uns über 14 Jahre in großartiger Weise unterstützt und ist durch sein Engagement maßgeblich am Erfolg der Kunstauktion beteiligt“, sagte ein Sprecher der evangelischen Kirche. Man werde prüfen, ob unter den versteigerten Bildern Fälschungen waren, teilte die Kirche mit.

Einmal im Jahr versteigert die evangelische Landeskirche gespendete Kunstwerke für einen guten Zweck. Auktionator und Gesicht der Veranstaltung war seit 14 Jahren Detlef Gosselck. Erst vor einem Monat stand er wieder in der Heilig- Kreuz-Kirche in Kreuzberg und schwang das Hämmerchen. Mit Charme, Witz und Gespür für das Tempo einer Veranstaltung trieb er die Auktion voran oder verlangsamte, erzählte Anekdoten zu Künstlern und Kunstwerken. Und kam immer wieder auch auf Lou Albert-Lasard zu sprechen. Das Entsetzen in Kirchenkreisen ist groß. Entsetzt sind viele auch, dass Gosselck keinen anderen Ausweg fand als den Tod. Er sei sensibel gewesen und wollte im Mittelpunkt stehen.

Aus der großen Verehrung und Bewunderung für die Künstlerin Lasard habe er womöglich angefangen, selbst in ihrem Stil zu malen. Und irgendwann sei ihm die Sache vielleicht entglitten, sagt ein Freund. Eine Spielernatur sei er gewesen, vielleicht auch das ein Grund. Aber aus kriminellem Antrieb? Das kann, das mag sich niemand vorstellen. Schließlich habe er viele Gemälde gespendet und viele Auftritte ehrenamtlich absolviert.

„Eine wahnsinnige Frau, diese Lou, zwischen Tingel-Tangel und Chapeau- Claque“, pries Gosselck die „kleine Barszene“ der Künstlerin vor einem Monat an. 1923 soll sie das Aquarell gemalt haben. 3200 Euro zahlte ein Kunstliebhaber dafür. Nun fragen sich alle, ob das Gemälde gefälscht war.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })