
© René Strammber
Brandenburg: Feigen und Absagen
Die Flucht von Masoud Rostami und Masoud Isari aus dem Iran endete in Brandenburg. Gerne würden beide arbeiten, doch Bürokratie und Berührungsängste machen ihnen das Leben schwer
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Potsdam - Ein kleines Stück Heimat hat Masoud Rostami sich bewahrt. Getrocknete Feigen stehen auf dem Wohnzimmertisch, auf dem Boden liegt ein persischer Teppich. In Potsdams Innenstadt, direkt an der Französischen Kirche, hat der 32-jährige Iraner eine hübsche Mietwohnung bezogen. Ein Glücksfall, denn die meisten Flüchtlinge, die nach Brandenburg kommen, kommen in Sammelunterkünften unter. Die Platz- und hygienischen Verhältnisse sind dort oft schlecht, Privatsphäre gibt es kaum. „Ich glaube, ich hatte viel Glück – mehr als andere Flüchtlinge“, sagt Rostami demütig. Die Kirchengemeinde hat ihm die Mietwohnung organisiert, in der Französischen Kirche geht Rostami jeden Sonntag zum Gottesdienst.
Masoud Rostami weiß gut, wie es sich in einem Flüchtlingsheim lebt. Vor zwei Jahren durfte er dort die Hand des Bundespräsidenten schütteln. Im Dezember 2012 besuchte Joachim Gauck das Asylbewerberheim in Bad Belzig. Die Visite hatte damals Signalwirkung, es war der erste Besuch eines deutschen Staatsoberhaupts in einem Flüchtlingsheim seit über 20 Jahren. Damals wohnte Rostami in der Kaserne in Belzig und berichtete dem Bundespräsidenten von seinem Schicksal: Dass er aus dem Iran stammt und aus seinem Land fliehen musste, weil er zum Christentum konvertiert war.
Rostami war damals schon 14 Monate in Bad Belzig. Er ist studierter Ingenieur. Doch arbeiten durfte er in Deutschland lange nicht, ihm fehlte die Arbeitserlaubnis. Gauck schüttelte damals mit dem Kopf und meinte: „Dabei brauchen wir doch Ingenieure, gell?“ An Bestimmungen wie der Residenzpflicht und dem generellen Arbeitsverbot für Flüchtlinge äußerte Gauck bei seinem Besuch deutliche Kritik und forderte von der Politik Verbesserungen beim Asylrecht.
Heute, zwei Jahre später, ist Masoud Rostami immer noch arbeitslos. In seiner befristeten Aufenthaltsgenehmigung steht zwar mittlerweile, dass er eine Beschäftigung aufnehmen darf. Aber einen Job findet der studierte Ingenieur trotzdem nicht – und das, obwohl gerade die Brandenburger Wirtschaft stets betont, wie groß doch der Fachkräftemangel sei. „Ich habe viele Bewerbungen geschrieben“, sagt Rostami in flüssigem Deutsch. Er ist Kfz-Ingenieur, im Iran hatte er eine eigene Autowerkstatt. Ob eine neue Zylinderkopfdichtung einbauen oder einen Zahnriemen wechseln: „Ich mache alles“, sagt der 32-Jährige. Aber es gab bislang nur Absagen, meist aus fadenscheinigen Gründen.
In einem Berliner Autohaus beispielsweise gab Rostami seinen Lebenslauf ab. Aber der Chef habe wohl was gegen Ausländer gehabt und sofort abgewunken, ohne den Lebenslauf auch nur durchzulesen. Ein großer Autohersteller aus Stuttgart gab Rostami nicht einmal einen unbezahlten Praktikumsplatz.
Nach Jahren der Stagnation hat sich die Bundesregierung nun zu Verbesserungen im Asylrecht durchgerungen. Asylbewerber sollen sich in Zukunft in Deutschland nicht nur freier bewegen dürfen, sondern auch einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Entsprechende Gesetzesänderungen brachte das Bundeskabinett Ende Oktober auf Druck der Bundesländer auf den Weg.
Bislang dürfen sich Schutzsuchende während ihres Asylverfahrens nur innerhalb bestimmter Regionen – meist innerhalb der Grenzen des jeweiligen Bundeslandes – aufhalten. Diese Residenzpflicht soll künftig nach drei Monaten entfallen. Leichter werden soll zudem die Suche nach einem Arbeitsplatz für Asylbewerber und Geduldete. Ein generelles Arbeitsverbot für die erste Zeit in Deutschland wurde kürzlich von neun auf drei Monate gekürzt. Es gilt aber noch eine weitere Einschränkung: Bisher bekommen Asylbewerber einen Job nur, wenn sich kein geeigneter Bewerber mit deutschem oder EU-Pass für die jeweilige Stelle findet. Diese sogenannte Vorrangprüfung soll künftig nach 15 Monaten wegfallen. Für Fachkräfte wird sie komplett gestrichen.
Wie absurd die Vorrangprüfung sein kann, musste Masoud Isari erfahren. Der 30-Jährige flüchtete ebenfalls aus Iran nach Deutschland und wohnt seit gut anderthalb Jahren in einem Wohnheim bei Senftenberg. Isari ist studierter IT-Ingenieur, hat aber ebenfalls Schwierigkeiten bei der Jobsuche. Um also wenigstens irgendetwas zu machen, heuerte er bei einem Dönerladen in Senftenberg an. Der Chef des Dönerladens ging persönlich mit Isari zum örtlichen Jobcenter mit der Bitte, ihn als Mitarbeiter anstellen zu dürfen. Aber die Arbeitsagentur lehnte ab: Zunächst hätten Deutsche und dann EU-Bürger ein Vorrecht auf die Stelle. Das Merkwürdige: In dem Dönerladen habe bis heute kein Deutscher und kein EU-Bürger angefangen zu arbeiten, sagt Isari.
Der junge Christ aus Teheran musste aus politischen Gründen aus dem Iran flüchten. Die Polizei war hinter ihm her, weil er die „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie besaß – aus Sicht vieler Muslime ist der Roman ketzerisch. Isari ist Computerspezialist, in Deutschland machte er sich gleich daran, Deutsch zu lernen und Bewerbungen zu schreiben. Bei BASF in Schwarzheide absolvierte er erfolgreich zwei Bewerbungsverfahren, der Konzern wollte ihn in einem Programm für Berufsstarter einstellen. Doch auch hier scheiterte das Vorhaben am Einspruch der Behörden: Die Bundesagentur für Arbeit habe das Vorhaben abgelehnt, da bei BASF „bevorrechtigte Arbeitnehmer" zur Verfügung stünden, heißt es in einem Schreiben des Amts für „Ausländerwesen“ des für Schwarzheide zuständigen Landkreises Oberspreewald-Lausitz.
In seiner misslichen Situation hat sich Isari an das Bundesamt für Migration gewandt, doch auf eine Antwort wartet er seit 20 Monaten. „Das macht mich nervös, ich werde fast verrückt“, sagt Isari. In seiner Not hat er sich an seinen Bekannten Masoud Rostami gewandt und ist vorübergehend zu ihm nach Potsdam gezogen. Der Tapetenwechsel scheint ihm ganz gutzutun. Jetzt sitzen beide im Wohnzimmer, essen Feigen und getrocknete Pistazien und hoffen, dass sich die Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten verändern.
Was sagt Brandenburgs Wirtschaft zu diesen Schicksalen? Sind es Einzelfälle oder werden Flüchtlinge auf der Suche nach einem qualifizierten Arbeitsplatz generell diskriminiert? Der Unternehmerverband Brandenburg-Berlin gibt sich bedeckt: Zu diesen Aspekten sei „die Datenlage“ unsicher, sagt eine Sprecherin des Verbands. Zu den Reformplänen der Bundesregierung werde sich der Verband erst äußern, wenn diese auch Gesetz seien.
Brandenburgs Integrationsbeauftragte Doris Lemmermeier wird deutlicher: Die beiden Fälle zeigten die ganze „Spannweite“ der Schwierigkeiten von Ausländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Zahlreiche Studien belegten, dass sie es – auch mit guten Qualifikationen – schwerer hätten, einen Arbeitsplatz zu finden, sagt Lemmermeier. Viele rechtliche Regelungen im deutschen Asylrecht seien eben noch immer von dem Grundgedanken der Abwehr von Flüchtlingen durchdrungen.
Masoud Rostami und Masoud Isari haben sich dennoch entschlossen zu bleiben, bis sie einen Job finden. Der Druck ist groß: Ihre Aufenthaltsgenehmigung läuft in absehbarer Zeit aus.
Haiko Prengel
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