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Brandenburg: Fleischeslust in Brandenburg
Im neuen Fleischatlas der Böllstiftung gibt die Mark beim Thema Megaställe kein gutes Bild ab
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Potsdam - Pünktlich zum Abschluss des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung in Brandenburg, aber auch zum Start der Grünen Woche in Berlin, hat die Heinrich-Böll-Stiftung ihren Fleischatlas zur Fleischproduktion in der Bundesrepublik vorgelegt. Das Ergebnis: Massentierhaltung boomt, die Mega-Ställe werden immer größer, es wird immer mehr Fleisch produziert. Auch und ganz besonders in Brandenburg.
„Fleisch wird in Brandenburg groß geschrieben“, heißt es im Dossier zur Mark. Ob in der Landwirtschaft oder in den Restaurants und Ausflugslokalen. Und dieses Fleisch kommt meist aus riesigen Mastanlagen. Immerhin liegt Brandenburg bei der Zahl der Nutztiere auf der Landesfläche knapp unterhalb des bundesdeutschen Durchschnitts. Einen Spitzenplatz belegt Brandenburg jedoch bei der Größe der Mastanlagen, also bei der Massentierhaltung.
Bei der Rinderhaltung stand das Land 2010 mit durchschnittlich 216 Tieren pro Betrieb auf Platz zwei hinter Mecklenburg-Vorpommern. Im Bundesschnitt sind es 87 Tiere pro Betrieb. Bei den Mastanlagen für Schweine landet Brandenburg mit 1 125 Tieren je Betrieb auf Platz drei. Hier sind es im bundesweiten Durchschnitt nur 459 Tiere. Und bei den Hühnern zählt der Fleischatlas 7 853 Tiere je Betrieb, das bedeutet Platz vier. Bundesweit sind es im Schnitt 2 132 Tiere.
Es sind vor allem diese Hähnchenmastanlagen, die in Brandenburg boomen: Die Hähnchenproduktion nahm in den Jahren 2010 bis 2013 um 21 Prozent zu. Und sie soll weiter steigen. Derzeit gibt es 6,6 Millionen Mastplätze, bei mehreren Mastdurchläufen im Jahr. Brandenburgs Agrarministerium erwartet laut Fleischatlas in naher Zukunft ein Anstieg auf acht Millionen. Ende 2014 waren 18 neue Anlagen bereits genehmigt, zwölf weitere sind schon beantragt.
Es ist erklärte Linie von Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD), aber auch von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD): Angesichts des durchschnittlich hohen Fleischkonsums in Deutschland sei der Bedarf der Verbraucher ohne die sogenannten Riesenställe „schwer zu realisieren“. Doch trifft das zu? Die Böllstiftung geht vom Gegenteil aus: Die Deutschen essen weniger Fleisch, dennoch steigern die Mastunternehmen ihre Produktion immer weiter. Das Ergebnis: Haufenweise Fleisch zu Dumpingpreisen, der Export zieht an. Immer neue und größere Anlagen sollen entstehen, um die Entwicklung aufzufangen und Überkapazitäten bei den Herstellern auszulasten.
Aber auch ein anderer Trend ist laut Fleischatlas zu beobachten: Die kleinen bäuerlichen Betriebe mit höherer Beschäftigungsquote und damit höheren wirtschaftlichen Effekten in der Region gehen ein. In Brandenburg nahm die Zahl kleiner Höfe, die Hühner halten, zwischen 2001 und 2015 um bis zu 60 Prozent ab, 1100 Betriebe gaben die Hühnerfleischproduktion auf. Die Zahl der Kleinbetriebe, die Schweine hielten, ging um mehr als 80 Prozent zurück. 1000 Betriebe gaben die Schweinehaltung auf.
Die Initiatoren des Volksbegehrens hoffen darauf, dass sie in einem Endspurt bis zum heutigen Donnerstag, 16 Uhr, die nötigen 80 000 Unterschriften erreichen. Das vorläufige Ergebnis gibt der Landeswahlleiter am Donnerstagabend bekannt. Das Volksbegehren soll den Landtag dazu bringen, dass Großmastanlagen in Brandenburg künftig nicht mehr mit Steuergeldern gefördert werden. Bislang hat das Parlament dies mit der rot-roten Regierungsmehrheit stets abgelehnt.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Forderung nach einem Klagerecht von Tierschutzverbänden gegen Genehmigungen für Mastbetriebe oder Untätigkeit der Behörden bei aufgedeckten Missständen. Wenn der Landtag dies nach einem erfolgreiche Volksbegehren erneut ablehnt, dann dürfen die Bürger selbst in einem Volksentscheid abstimmen, ob es eine artgerechtere Tierhaltung im Land geben soll. Die Hürden dafür sind aber hoch.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sieht das Volksbegehren kritisch. Es gebe keine Antwort, wo Massentierhaltung anfange und wie die Qualitätskriterien aussehen sollen, sagte Schmidt der „Märkischen Oderzeitung“. Massentierhaltung sei kein definierter Begriff, sagte Schmidt. Es komme dabei nicht auf die Zahl der Tiere an, sondern darauf, wie sie gehalten werden. Bei „Megaanlagen, die nicht mehr zu organisieren sind“, stoße man sicher an Grenzen. Hinzu käme die Frage nach den Verbraucherpreisen. Alexander Fröhlich
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