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Allgegenwärtig. Nichts geht in Schönefeld ohne den Flughafen. Vom BER erhofft sich die Gemeinde neue Impulse und eine Verdopplung der Einwohnerzahl.

© dpa

Brandenburg: Flughafen und Wohnzimmer

Schönefeld wächst rasant, seine Einnahmen sprudeln, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Der Hauptmotor dafür liegt in seiner Mitte. Aber auch die Nähe zu Berlin schadet nicht

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Schönefeld - Die Inschrift des Gedenksteins, direkt an der Berliner Stadtgrenze, ist reichlich verwittert. Sie erinnert an die Öffnung der DDR-Sperranlagen am 3. Januar 1990. Damals erwachte hier, vor den Toren Neuköllns, Großziethen aus einem 28 Jahre währenden Dornröschenschlaf, in den es Mauer und Stacheldraht versetzt hatten.

An drei Seiten von Westberlin umschlossen, waren Teile der Gemeinde nur mit Passierschein zugänglich. Die Einwohnerzahl damals: 1300 – heute: gut 8000. Mit seinen Neubausiedlungen, Stadtvillen und vielen jüngst errichteten Einfamilienhäusern ist der Ortsteil erklärtermaßen das „Wohnzimmer“ der Gemeinde Schönefeld.

Gut 20 Autokilometer weiter südlich gruppieren sich renovierte Bauernhäuser, einige Neubauten, aber auch manch vormals bewohnte Ruine um eine Ende des 17. Jahrhunderts erbaute Feldsteinkirche. Kiekebusch ist Dorf geblieben und gehört ebenfalls zu Schönefeld. Bescheidener als im Norden wuchs die Zahl der Bewohner hier von 150 (1990) auf gegenwärtig gut 200.

Die Bodenrichtwerte für den Erwerb von Grundstücken lagen Ende 2015 für die begehrte, unmittelbar an Berlin-Neukölln grenzende Siedlung Großziethen-Gartenstadt bei 240 Euro, für Kiekebusch bei 20 Euro pro Quadratmeter: Zwei Pole der Speckgürtel-Gemeinde Schönefeld am Südostrand der Bundeshauptstadt, von denen es mehr gibt, wie schon ein Blick auf die Landkarte zeigt.

Fast kreisförmig liegen ihre sechs Ortsteile um das etwa 2000 Fußballfelder große Flughafenareal verstreut; dazwischen erstrecken sich Äcker, Wiesen und Wälder. Erst die Gemeindegebietsreform von 2003 verschmolz die Satelliten zu einer Kommune: außer Großziethen und Kiekebusch sind das die Ortsteile Schönefeld, Selchow, Waltersdorf und Waßmannsdorf. Maßgeblicher Motor für deren Entwicklung war und ist der Flughafen – sowohl der seit DDR-Zeiten bestehende als auch allen Rückschlägen zum Trotz der neue Hauptstadt-Airport BER, dessen Eröffnung aussteht.

„Fliegen gehört zur Region“, stellte der Landrat des prosperierenden Landkreises Dahme-Spreewald, Stephan Loge (SPD), fest, als er vor gut einem Jahr den Spatenstich für den Bau eines Windkanals vornahm. Die Tradition hatten die Henschel-Flugzeugwerke begründet, als sie 1934 ihre Produktion nach Schönefeld verlegten. Aus den Anfängen entwickelte sich der spätere Zentralflughafen der DDR. Seit 1992 ist Schönefeld wieder Gastgeber der alle zwei Jahre stattfindenden Luftfahrtausstellung ILA.

„Wir sind die Gemeinde dieses Landkreises, welche das größte Wachstum aufweist und die sich das Ziel gesetzt hat, die Zahl der Bevölkerung in den nächsten Jahren zu verdoppeln“, schrieb Bürgermeister Udo Haase (parteilos) jüngst im Gemeindeanzeiger. Bei derzeit rund 15 500 Einwohnern wären das einmal mehr als 30 000 – die Größe einer Kleinstadt.

Kitas, Krippen und Horte werden nach Einschätzung von Haase in den kommenden Jahren voll ausgelastet sein, Grundstückspreise und die Nachfrage nach Bauland besonders in Flughafennähe rasant steigen. An der Zerrissenheit der Kommune dürfte das alles wenig ändern und ihre Suche nach Identität wird weitergehen.

Nur wenige andere Gemeindeoberhäupter in Brandenburg dürften in ihrer Amtszeit für Neubauprojekte mehr Spatenstiche gesetzt, Grundsteine gelegt und Bänder durchschnitten haben. Schon bevor Haase 2003 Bürgermeister wurde, war er sechs Jahre Amtsdirektor im damaligen Amt Schönefeld.

Vor allem dank des Flughafenbaus konnte er im Januar 2008 vermelden, dass Schönefeld schuldenfrei sei. Gleichzeitig stapelt er heute tief: „Wir sind sicher keine reiche Gemeinde.“ Wegen der hohen Abgaben an Kreis und Land müsse Schönefeld derzeit sogar auf seine Rücklagen zurückgreifen.

Das Wappen der Gemeinde zeigt eine Windrose – einen Knotenpunkt des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs symbolisierend. Die strategisch günstige Lage der Kommune bestimmt seit Langem ihr Wohl und Wehe. Zum Wohl soll möglichst bald eine neue Verbindung hinzukommen – vorausgesetzt der große Nachbar spielt mit: die Verlängerung der U-Bahn-Linie 7 von Berlin-Rudow zum BER.

Ronald Bahlburg

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