
© dpa
Brandenburg: Flughäfen wachsen – ohne Air Berlin und Lufthansa
Seit 2004 hat sich die Zahl der Reisenden verdoppelt. Ryanair und Easyjet gewinnen stetig Marktanteile
Stand:
Die Reiselust der Berliner ist ungebrochen, die Hauptstadt zieht immer mehr Besucher an. Kurz: Der Flugverkehr boomt. Die Tatsache, dass Air Berlin beginnt, sich gesundzuschrumpfen und die Lufthansa immer mehr Flüge auf ihre Billigtochter Eurowings verlagert, wird das Angebot in Tegel und Schönefeld auch nicht schmälern. Zumal andere Low-Cost-Carrier für Aufschwung sorgen und die Metropole zunehmend für Langstreckenverbindungen attraktiv wird. Allerdings müssen sich die Reisenden auf den Kurz- und Mittelstrecken an eine andere Servicequalität gewöhnen.
Seit 2004 hat sich die Zahl der Berlin-Fluggäste verdoppelt. Im Juli wurden erstmals in einem Monat mehr als drei Millionen Reisende an den Berliner Flughäfen gezählt. Und in diesem Jahr wird zum ersten Mal die 30-Millionen-Marke überschritten. Während das Aufkommen am überlasteten Flughafen Tegel in den ersten acht Monaten dieses Jahres bei knapp 14 Millionen Reisenden stagnierte, verzeichnete der besonders bei den Billigfliegern beliebte Flughafen Schönefeld mit 7,35 Millionen einen Rekordzuwachs von 40,1 Prozent.
Allerdings gibt es massive Veränderungen bei den Akteuren. Obwohl der Marktanteil von Air Berlin von 34,5 Prozent im Gesamtjahr 2013 auf 29,9 Prozent in den ersten acht Monaten dieses Jahres zurückging, ist die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft nach wie vor mit weitem Abstand der Branchenführer in Berlin. Daran wird sich voraussichtlich auch nichts ändern, wenn die Airline ihre Flotte – wie angekündigt – halbiert. Künftig will man sich auf den Verkehr zu den eigenen Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf konzentrieren. So dürften beide Städte am geringsten von möglichen Streichungen betroffen sein, die Langstrecken werden sogar ausgebaut. Der veröffentlichte Flugplan, so heißt es, bleibt gültig, alle Flüge können weiter unbeschränkt gebucht werden.
Der Marktanteil der Lufthansa ist indessen im gleichen Zeitraum von 23,9 auf 18,7 Prozent gesunken. Und das ist nur die halbe Wahrheit. Denn es werden nur Zahlen für den Gesamtkonzern veröffentlicht, zu dem auch Austrian, Brussels, Eurowings/Germanwings und Swiss gehören. Tatsächlich dürfte der Anteil der Flüge, auf denen der Kranich in Berlin Flagge zeigt, deutlich unter der Hälfte liegen. Denn die Lufthansa hat alle Flüge bis auf die Verbindungen zu ihren Drehkreuzen Frankfurt und München auf die Billigtochter Eurowings übertragen. Dem Vernehmen nach beförderte diese im vergangenen Jahr knapp die Hälfte der gesamten Passagiere des Lufthansa-Konzerns in Berlin.
Währenddessen hat Ryanair, die Deutschland zu ihrem strategischen Schwerpunkt erklärt hat und Air Berlin als zweitgrößte Airline in Deutschland ablösen will, ihre Position in Schönefeld weiter ausgebaut. Der Marktanteil des irischen Billigfliegers stieg seit 2013 von 1,7 auf stolze 11,3 Prozent. Damit greift die Fluggesellschaft vor allem den britischen Konkurrenten Easyjet an, der als langjähriger Platzhirsch in Schönefeld 1,4 Punkte einbüßte und bei 14,3 Prozent liegt.
Easyjet will am kommenden Dienstag seine weitere Berlin-Strategie vorstellen. Ryanair hat derzeit neun Flugzeuge in Schönefeld stationiert und das Angebot zum Winterflugplan um 18 auf 45 (ab Sommer 46) Strecken gesteigert. Im kommenden Geschäftsjahr will man 5,4 Millionen Berlin-Passagiere befördern. Das entspricht dem erwarteten Aufkommen dieses Jahres von Easyjet, die mit zehn Flugzeugen 47 Ziele ansteuern. Eurowings wird im kommenden Winterflugplan sieben bis acht Flugzeuge in Berlin stationieren und die Zahl der Destinationen gegenüber dem Sommer von 33 auf 19 zurückfahren. Für den Sommer 2017 sind bisher 26 Strecken geplant. Mit rund 2,9 Millionen Fluggästen im Berlin-Verkehr wird man in diesem Jahr auf dem Niveau von 2015 liegen.
Auch andere Fluggesellschaften setzen verstärkt auf Berlin. Zu den jüngsten neu eröffneten Strecken zählen Cardiff in Wales (Flybe) sowie Cluj-Napoca in Rumänien und Kutaissi in Georgien (Wizz Air). Die steigende Nachfrage erlaubt auch weitere Langstrecken insbesondere nach Nordamerika. Air Berlin wird im kommenden Sommer von Tegel aus auch nach Los Angeles und San Francisco starten und die Frequenzen nach Chicago, Miami und New York erhöhen. Delta Airlines kehren nach mehrjähriger Abstinenz auf die New-York-Route zurück. Und Air Canada Rouge richtet eine neue Linie zwischen Tegel und Toronto ein. In Richtung Osten bleibt es dagegen vorerst bei den Nonstopflügen nach Peking (Hainan Airlines) und Ulan-Bator (Mongolian), seit Air Berlin ihre Asienflüge zugunsten von Umsteigeverbindungen mit dem Partner Etihad aus Abu Dhabi einstellen musste.
Umdenken müssen die Berliner auf den Deutschland- und Europa-Strecken beim Service. Zwar sind die Flüge scheinbar billiger geworden. So gab es dieser Tage Tickets für einzelne Ziele bei Eurowings ab 24,99 Euro, bei Easyjet ab 19,49 Euro und bei Ryanair gar ab 2,99 Euro. Doch in diesen Schnäppchentarifen ist zum Beispiel meist nur ein Handgepäckstück enthalten. Fluggäste werden für einst gewohnte Annehmlichkeiten wie Gepäckaufgabe, Platzbuchung oder Bordverpflegung kräftig zur Kasse gebeten. So kann der Koffer je nach Airline und Strecke bis zu 60 Euro extra kosten oder der Wunschsitz mit größerer Beinfreiheit mit bis zu 29 Euro zu Buche schlagen. Es sei denn, man bucht gleich einen teureren Tarif. Rainer W. During
Rainer W. During
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: