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Brandenburg: Flut-trainiertes Land
„Deichgraf“ Matthias Platzeck ist wieder da. Der Regierungschef lobt das bisherige Krisenmanagement
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Wittenberge - Die Lage in Brandenburgs Hochwassergebieten bleibt angespannt kritisch. Am Donnerstag brachen aber bis in die Nachtstunden keine weiteren Deiche, wurden außer Mühlberg auch keine weiteren Ortschaften evakuiert. In Bad Liebenwerda verhinderten Einsatzkräfte einen drohenden Deichbruch. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) informierte sich am Abend in der Prignitz über den Stand der Vorbereitungsarbeiten. Denn an diesen Elbabschnitten werden für das Wochenende die größten Wassermengen erwartet, da das Wasser aus fast allen Hochwasserflüssen Sachsens, Sachsen-Anhalts und Brandenburgs hier vorbei muss, sodass die kritischsten Lagen Brandenburgs befürchtet werden. Und doch äußerte sich Platzeck danach erstmals vorsichtig optimistisch, dass auch die Prignitz von Überschwemmungen verschont wird: „Man muss zwar immer vorsichtig sein: Aber gut Holz! Es müsste eigentlich auch in der Prignitz ganz gut verlaufen“, sagte Platzeck den PNN in Wittenberge, an der alten Ölmühle am Elbufer, daneben zurzeit die größte Sandsackfüllstation weit und breit. Eine, bei der nicht nur Freiwillige Feuerwehrleute, sondern auch fünfzig, sechzig junge Leute halfen. „Im Gegensatz zum Winterhochwasser 2006 haben wir kein Mobilisierungsproblem“, berichtete Bürgermeister Oliver Hermann (parteilos). „Die organisieren sich über Facebook.“ Vorher hatte die fast zweistündige Inspektionstour im Eiltempo Platzeck, begleitet von zwei Experten des Landesumweltamtes und des Landkreis, vorbei an fertigen oder fast fertiggestellten Baustellen, an von Bundeswehrsoldaten mit Sandsäcken aufgestockten Deichen, geführt. Ohne PR-Termine, dafür mit quietschenden Reifen.
Platzeck, er ist wieder da, der wohl hochwassererfahrenste Regierungschef in Deutschland. Seine Karriere vom Umweltminister zum Ministerpräsidenten in Brandenburg, nunmehr elf Jahre, wäre ohne seine Rolle als bundesweit bekannt gewordener „Deichgraf“ bei der Oderflut 1997 nicht möglich gewesen. Seitdem gehören die Fluten zum Regierungsalltag. In der Prignitz kannte er manchen Abschnitt noch aus früheren Hochwässern. Nur dass die Deiche erneuert waren, die Einsätze professioneller. Und auch er wirkte ruhiger, abgeklärter.
Am Morgen, im Potsdamer Landtag hatte Platzeck kurzfristig eine Erklärung zur aktuellen Flut-Lage abgegeben. Er zog eine positive Zwischenbilanz des Krisenmanagements an Elbe, Schwarzer Elster, Spree und Neiße. „Insgesamt: Die Zusammenarbeit läuft sehr gut, sehr professionell. Die Räder greifen ineinander“, sagte Platzeck. Das sei auch ein „Trainingseffekt“, da Hochwässer im Lande ja immer häufiger auftreten würden. „Wir haben uns in Brandenburg abgewöhnt, von Jahrhunderthochwässern zu sprechen.“ Er dankte den Helfern der Krisenstäbe, Freiwilligen Feuerwehren, rund 500 Soldaten der Bundeswehr für ihren Beitrag, „dass Brandenburg bislang relativ schadlos durch die Situation gekommen sei“. Er ging aber auch auf Vorwürfe ein, dass das Land in den letzten Jahren insbesondere an der Schwarzen Elster die Deiche vernachlässigt, nur Notreparaturen vorgenommen habe. „Deichbau ist eine Generationenaufgabe“, widersprach Platzeck. Das Land habe 400 Millionen in Deiche investiert, die an der Oder sind inzwischen komplett erneuert, an der Elbe weitgehend. „Das nächste Projekt wird die Schwarze Elster sein.“ Auch in der Prignitz wurde Platzeck gefragt, warum ein kritischer Deichabschnitt beim Dorf Bräse, der die Häuser von sieben Familien bei jedem Hochwasser gefährdet, immer noch nicht fertig sei, warum es auch bei dieser Flut manchmal hakt. „Es ist wie beim Pathologen, der immer recht hat“, antwortete Platzeck da. „Nach dem Hochwasser werden wir ganz genau wissen, was alles schiefgelaufen ist.“
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