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Brandenburg: Forschen nach dem Wesen der Pferde Seit gestern kooperieren Uni Wien und Landgestüt

Neustadt / Dosse - Eigentlich müsste das Pferd längst gründlich erforscht sein. „Das ist ein Irrtum.

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Neustadt / Dosse - Eigentlich müsste das Pferd längst gründlich erforscht sein. „Das ist ein Irrtum. Da ist noch vieles unbekannt“, sagt Prof. Christine Aurich von der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. Anders als bei der Rinder-, Schweine- und Geflügelzucht, wo Forschung oft aus der Industrie finanziert werde, gebe es bei Pferden „einen Nachholebedarf“. Deshalb hat die Wissenschaftlerin aus Österreich – Spezialgebiet: Pferde – jetzt einen zusätzlichen Job im Land Brandenburg. Sie leitet das gerade gegründete „Forschungsinstitut für Pferdewissenschaften“, das nach dem preußischen Oberlandstallmeister Georg Graf Lehndorff (1833 - 1914) benannt wird.

Es ist eine gemeinsame Einrichtung des als „Sanssouci der Pferde“ bekannten „Brandenburgischen Haupt- und Landgestüts“ in Neustadt an der Dosse und der Veterinärmedizinischen Universität in Wien. Für die Wiener Uni war die gestern besiegelte Kooperation mit dem Landgestüt alles andere als Zufall. „Das Landgestüt zeichnet seine Kompetenz aus. Alles rund ums Pferd ist hier. Danach muss man auf der Welt lange suchen“, sagte der eigens aus Wien angereiste Uni-Vizerektor Prof. Peter Swetly, „Anderswo gibt es nur Stuten-, nur Hengstzucht oder nur Reitbetriebe. In Neustadt ist das alles vereint“, so Aurich. Tatsächlich gehört das 1788 von König Friedrich Wilhelm II. gegründete Haupt- und Landgestüt mit seiner weitläufigen 400 Hektar großen Anlage, zwei markanten denkmalgeschützten Gutshöfen, Koppeln und Alleen zu den größten und traditionsreichsten Europas.

Wichtigste Aufgabe der 14 Mitarbeiter ist die Züchtung von Rassepferden wie dem erfolgreichen Hengst „Samba Hit“, der nach Angaben von Landstallmeister Jürgen Müller im Zuchtwertindex, dem Ranking der Rassepferde, auf Platz Vier in Deutschland steht. Oder da ist „Quarterback“, der 2006 „Bester Hengst Deutschlands“ wurde und der so begehrt sei, dass „von ihm bereits 647 Stuten gedeckt wurden“, wie Müller erzählt. „Natürlich über künstliche Besamung.“ Natürlich? „Sonst stünde er nicht mehr so kräftig in seiner Box.“ Diese Rassepferde-Zucht soll nun vom Neustädter Pferdeinstitut wissenschaftlich begleitet werden.

Es hat vier Mitarbeiter, drei davon von der Wiener Uni, neue Stellen werden nicht geschaffen. Sie sollen zu Problemen der Reproduktion, der artgerechten Haltung, der Fütterung, Fruchtbarkeit und Fortpflanzung von Pferden forschen, erklärt Institutschefin Aurich. So würden von 100 Stuten bislang nur 55 Fohlen geboren. „Es könnten aber mehr sein. Wer eine Stute hat, wird oft enttäuscht.“ Es gehe aber auch um Forschungen „zum Wohlbefinden der Pferde“, sagt der Wiener Vize-Rektor Swetly. „Davon hängt die Leistung ab.“ Ab Frühjahr 2008, wenn die neue Saison losgeht, wird man im Landgestüt und auf den Koppeln jedenfalls oft österreichischen Dialekt vernehmen können. Rund 20 Wiener Studenten und Doktoranden werden dort Tests machen, Laborproben nehmen, das Verhalten von Pferden beobachten. Im Gestüt wird eigens eine virtuelle Bibliothek eingerichtet, erzählt Swetly, damit für die Veterinäre aus Wien „die Weltliteratur über Pferde elektronisch so abrufbar wird, als wären sie auf dem Campus in Wien.“ Und ohne Pferdefuß. Thorsten Metzner

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