Nachwende-Debatte in Brandenburg: Forscher: Enquete-Studie zu DDR-Eliten in Brandenburg mangelhaft
Am Freitag befasst sich die Enquete-Kommission des Landtages mit einem Gutachten zur Eliten-Kontinuität im Land. Der Berliner Politik-Professor und SED-Experte Klaus Schroeder fordert eine Korrektur des Papiers
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Potsdam - Die Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Brandenburgs Nachwendejahren steuert auf eine Zerreißprobe hin. Für Zündstoff dürfte am heutigen Freitag ein Antrag des Sachverständigen Klaus Schroeders sorgen, der selbst Mitglied der Kommission und Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin ist, und Korrekturen fordert. Er will das Gutachten zur „personellen Kontinuität und Elitenwandel“ in Brandenburgs Parteien wegen „methodischer und handwerklicher Mängel“ nachbessern lassen. Darin wird CDU und FDP mangelnde Aufarbeitung der eigenen Geschichte als DDR-Blockparteien, den Grünen für die Nachwendejahre eine große Zurückhaltung attestiert und der SPD vorgeworfen, nach den Stasi-Vorwürfen gegen Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) kein Interesse an einer Aufarbeitung gehabt zu haben. Der Linken und ihrer Vorgängerpartei PDS wird trotz höchstem Anteil an früheren Stasi-Spitzeln im Landtag ein offener Umgang mit der eigenen Geschichte bescheinigt.
Schroeders Kritik an den drei Autoren ist verheerend, weil die Gutachten den Eindruck einer „Rohfassung“ erweckten, „deren Teile nicht einmal ansatzweise harmonisieren“. Es gebe keine einheitlichen Bewertungskriterien und Definitionen zur Elite und Einschätzung der Parteien. Ein Vergleich zur personellen Kontinuität sei nicht möglich. Auch das positive Bild von Linke und PDS ist für Schroeder nicht haltbar. Als offenen Umgang der Linken scheine der Gutachter zu verstehen, dass bekannt gewordene Spitzel-Dienste nicht geleugnet wurden, heißt es in Schroeders Antrag. Zudem werde nicht zwischen der Bedeutung von Funktionären der SED und der Blockparteien unterschieden. Schroeder kritisiert auch die Darstellung der CDU, das Gutachten ignoriere Initiativen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Scharfe Debatten werden in der Kommission auch zum Antrag des Historikers Helmut Müller-Enbergs und des Grünen- Fraktionschefs Axel Vogel erwartet. Sie wollen einen Bericht über Erkenntnisse zu Ex-Regierungschef Stolpe und dessen Stasi-Kontakten erstellen lassen. Kommissionschefin Susanne Melior (SPD) kritisierte, damit werde „quasi ein neuer Untersuchungsausschuss Stolpe“ gefordert. „Für mich ist der frühere Ministerpräsident ein Glücksfall für unser Land.“ Doch Müller-Enbergs und Vogel haben den Antrag abgeschwächt. Neue, seit Ende des Stolpe-Untersuchungsausschusses 1994 aufgetauchte Stasi-Unterlagen sollen nicht mehr ausgewertet werden, nur Gerichtsurteile sowie Erkenntnisse von Kirche und Wissenschaft. Alexander Fröhlich
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