Brandenburg: Forscher kritisieren Regierung Offener Brief an Woidke und Schröter
Potsdam – Wissenschaftler der Universität Potsdam kritisieren in einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Innenminister Karl-Heinz Schröter (beide SPD) die von der rot-roten Landesregierung geplante Kreisgebietsreform. Diese habe wenig Nutzen und sorge für mehr Politikverdrossenheit.
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Potsdam – Wissenschaftler der Universität Potsdam kritisieren in einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Innenminister Karl-Heinz Schröter (beide SPD) die von der rot-roten Landesregierung geplante Kreisgebietsreform. Diese habe wenig Nutzen und sorge für mehr Politikverdrossenheit. Zugleich sei die Chance zur Digitalisierung verpasst worden.
Die Wissenschaftler vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Digitale Gesellschaft schreiben zur Kreisreform: „Betriebswirtschaftlich orientierte Effizienzziele werden zu Lasten der lokalen Identität und des damit zusammenhängenden Vertrauens in Politik und Verwaltung überbetont.“ Die vier Verfasser sind Moreen Heine, Juniorprofessorin für Digital Government, Hanna Krasnova, Lehrstuhlinhaberin für Social Media und Data Science, Key Pousttchi, Inhaber des SAP-Stiftungslehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung sowie Norbert Gronau, Professor und Lehrstuhlinhaber für Prozesse und Systeme, Leiter des Anwendungszentrums Industrie 4.0 (siehe Interview).
In ihrem zweiseitigen Brief äußern sie harsche Kritik am Vorgehen der Landesregierung. „Wir erleben die geplante Zusammenlegung der Landkreise als beinahe reflexartige Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels, der wachsenden strukturellen Kluft zwischen Stadt und Land sowie des allgegenwärtig angeführten Spardrucks. Konkrete Einsparpotenziale können dabei noch nicht einmal nachgewiesen werden“, schreiben die Digitalisierungs-Experten. Sie warnen vor schwerwiegenden Folgen der Reform, bei der die Zahl der Landkreise und kreisfreien Städte von 18 auf 10 sinken soll. Lediglich Potsdam bleibt kreisfrei, Brandenburg an der Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) sollen ihren Status verlieren. Eine von CDU und Freien Wählern getragene Volksinitiative macht gegen die Reformpläne mobil.
„Gerade in einer Zeit der Unsicherheit durch Migration und Globalisierung ist die lokale Identität und das Vertrauen in Politik und Verwaltung vor Ort von hoher Bedeutung“, heißt es in dem Brief. Kreise „mit riesiger Ausdehnung“ führten „zu Identitätsverlust“, zu einer „geminderten Bereitschaft zur Teilhabe“. Die Forscher warnen vor Politikverdrossenheit, Entfremdung, einem „Zuwachs rechtspopulistischer Parteien“ sowie „einer noch tieferen gesellschaftlichen Spaltung“. Hinzu kämen „weite Fahrtwege und fehlende Ansprechpartner vor Ort“, dies habe negativen Einfluss auf ehrenamtliches Engagement. Dabei erhöhe „lokal orientierte Beteiligung“ die „Problemlösungs- und Leistungsfähigkeit des Staates“. Zudem kritisieren die Forscher, dass die Rolle der Digitalisierung bei der Kreisreform systematisch vernachlässigt werde. Erhebliche Effizienzgewinne ließen sich ohne Kreisfusionen erzielen. Die Wissenschaftler fordern, „die wertvollen Ressourcen nicht in einen aufwendigen organisatorischen Umbau ohne Nachweis der Wirtschaftlichkeit und ohne qualitative Verbesserungen zu stecken“, sondern „in nachhaltige Investitionen in die Zukunft“. Bisherige Ansätze der Reform müssten überarbeitet werden. Zu den Chancen der digitalen Transformation ist am 27. Januar eine Veranstaltung an der Universität Potsdam geplant. Alexander Fröhlich
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