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Jokerface. Ein Mann mit Clownsbemalung bei der Mahnwache der linken Szene.

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Brandenburg: Frust und Frost

Mahnwache für geräumte Liebigstraße 14

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Berlin - Ein Autonomer mit aufgemalter Clownsfratze und piepsender Stimme geleitet Menschen über die Liebigstraße. Daneben wird stundenlang getrommelt, auf Bierkisten und Pfannen, bei eisigen Minusgraden. Zwei Geigenspieler sticheln gegen die Polizei, die Beamten nehmen es gelassen. Sie sind mit mehr als zehn Mannschaftswagen präsent. So spektakulär das besetzte Haus in der Berliner Liebigstraße 14 vor einem Jahr mit 2500 Polizisten, mit Wasserwerfern und Spezialfahrzeugen geräumt worden war, so ruhig blieb es bis zum Donnerstagabend, am Jahrestag der Räumung, bei der Mahnwache.

Die „Liebig14“ ist von der Polizei abgeriegelt, aber bis zum Nachmittag kommen rund 50 Autonome und Unterstützer aus der linken Szene zum Wohnprojekt X-B-Liebig, gegenüber in der Liebigstraße 34. Sie trinken Bier, essen heiße Gemüsesuppe, protestieren gegen die damalige Räumung und Gentrifizierung. Auf dem Trottoir hat jemand Blumen abgelegt. Auf einem Schild steht „Zentrum des Hasses“. Aufgestellte Grabsteine und einen umgebauten Anhänger, auf dem ein Motor Metall gegeneinander schlagen lässt, verbannt die Polizei. Schon um acht Uhr morgens schlagen auf den Nachbarbalkonen ein halbes Dutzend Autonome unaufhörlich auf Pfannen und Töpfe ein. Aus einer Wohnung dringt laut Chopins Trauermarsch. Vor einem Jahr lief „Spiel mir das Lied vom Tod“. Man müsse daran erinnern, dass damals 25 Menschen wohnungslos geworden seien, und dass die Liebig14 „ein besonders krasser Fall der Verdrängung“ gewesen sei, sagt Sven Gramstadt, 34. Er hat die Mahnwache angemeldet.

Die Solidarität im Kiez scheint groß. „Wir haben Angst, dass die Gegend ein zweiter Kollwitzplatz wird“, sagt Klaus, 59. Viele Passanten sagen ähnliche Sätze. Tanja B. kommt extra aus Zehlendorf, um zu fotografieren. „Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt in der Stadt. In der linken Szene brodelt es, da haben sich Aggressionen angesammelt.“

Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe stuft die Polizei die Situation als „sehr ruhig“ ein. Die Beamten seien „in ausreichender Anzahl“ präsent. Man verfolge ähnlich wie beim 1. Mai eine „deeskalierende“ Strategie, sagt ein Ermittler. Dies beinhalte auch, dass die Kräfte sich nicht martialisch vor dem Haus aufbauen, sondern eher im Hintergrund bleiben, solange die Lage friedlich ist. Man gehe nicht davon aus, dass es zu Krawallen komme. Auch für Sonnabend, wenn die Szene zu einer „Zombieparade“ aufruft, sei nicht mit Ausschreitungen zu rechnen, sagt der Sprecher. Dennoch hatte ein Polizei-Emittler dieser Zeitung berichtet, dass man eher den Sonnabend im Auge behalte.

„Es sind ja mehr Polizisten hier als Leute von uns“, sagt ein Protestler. Wegen der Minusgrade? „Nö, vielleicht schlafen die noch.“ Am späten Nachmittag und frühen Abend gab es ja noch Konzerte auf dem Wagenplatz und in der Galiläakirche. C. Spangenberg/T. Buntrock

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