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Die AfD in Brandenburg: Gaulands Truppe
In der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg gibt es neue Unruhe. Das könnte auch so weitergehen. Denn Fraktionschef Alexander Gauland vermittelt eher den Eindruck, als ob Brandenburgs Politik zu klein für ihn ist.
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Potsdam - Er klingt nicht genervt, eher ermüdet. „Ich nehme das gelassen. Ich halte die Diagnose von Herrn Wiese für nicht angemessen“, sagt Alexander Gauland, Brandenburgs AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzender. „Herr Wiese ist in der Fraktion eine Art urige Figur. Seine Analysen sind aber nicht korrekt.“ Ja, Gauland, 75 Jahre, hat Routine darin, in wohlgesetzten Worten jene Ausschläge aus den eigenen Reihen herunterzuspielen, die er nicht selbst provoziert hat.
Dabei hat es der aktuelle Vorgang in sich – zumindest für Verhältnisse der eher straff geführten Brandenburger AfD, in der üblicherweise die Reihen geschlossen sind. Doch nun hält der Landtagsabgeordnete Franz Josef Wiese, 63 Jahre, Unternehmer, einst aus Bayern nach Brandenburg gekommen, der Gauland-Partei einen Spiegel vor. Wiese, einer der zehn Abgeordneten im Landtag, äußerte sich so: „Ich glaube, die meisten AfD-Wähler wissen gar nicht, was für Leute bei uns sind. Ich habe es selbst erst später erfahren“, sagte Wiese der „Bild“-Zeitung über die Brandenburger AfD, die 2014 mit 12,2 Prozent in den Landtag zog, in Umfragen aktuell mit 19 Prozent gleichauf mit der Union liegt.
Wunderheiler und Verschwörungstheoretiker in der AfD
Und dann erzählte Wiese etwa von Wunderheilern, Leuten mit Verfolgungswahn, Verschwörungstheoretikern, die sich im Kreisverband Märkisch-Oderland tummeln würden, den er einst mitgegründet hatte. Jeder sei aufgenommen worden: „Von ehemaligen SED-Genossen über spinnerte Weltverbesserer bis zu Leuten mit Verfolgungswahn war alles dabei.“ Er kritisierte, dass die Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz, der auch Vize-Parteichef ist und als Gaulands „Kronprinz“ gilt, und Birgit Bessin den früheren NPD-Mann und deshalb aus der AfD geflogenen Alexander Salomon als Mitarbeiter eingestellt hätten. Beide hätten dies der Fraktion verschwiegen. Das habe ihn „erschüttert“, sagte Wiese. Aber auch gegen Wiese selbst gibt es Vorwürfe. Die „Bild“ präsentierte die Information einer Kredit-Auskunftei, wonach der Unternehmer im Jahr 2013 einen Offenbarungseid geleistet – also Insolvenz angemeldet – hat, was er bestreitet. In der Fraktion löste Wiese, der als etwas unbedarft gilt, mit seiner Aktion Unverständnis aus.
Das erinnert an die Erschütterungen nach der Brandenburger Landtagswahl 2014, als der damalige AfD-Abgeordnete Stefan Hein aus der AfD-Landtagsfraktion flog, weil er – Sohn der Lebensgefährtin Gaulands – das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit Interna über die rechtsextreme Vergangenheit von fünf Abgeordneten spickte.
Dazu passt nun Wieses Sittenbild, dazu passen die aktuellen Schlagzeilen um Uckermark-Kreischef Jan-Ulrich Weiß, der als Nächstes in die Landtagsfraktion nachrücken würde, falls irgendjemand sein Mandat abgibt oder nach den Wahlen 2017 in den Bundestag wechselt. Dann „haben wir ein Problem“, sagte Wiese. Der 41-jährige Weiß wird wegen eines antisemitischen Posts im sozialen Netzwerk Facebook demnächst wegen Volksverhetzung angeklagt. Zwar hatte Gauland 2015 versucht, Weiß deshalb aus der Partei zu werfen, was aber vor dem AfD-Bundesschiedsgericht scheiterte. Zudem gibt es neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Weiß, diesmal, weil er an Zigarettenschmuggel in großem Stil beteiligt sein soll.
Diesmal hält sich Gauland allerdings zurück. Er will zunächst kein neues Parteiausschlussverfahren anstrengen. „Das ist jetzt Sache der Justizbehörden. Ich fälle kein Urteil über Dinge, die ich nicht kenne. Das müssen erst Staatsanwalt und Gerichte tun“, sagt er. Würde die AfD jetzt gegen Weiß vorgehen, wäre das nach seinen Worten eine Vorverurteilung. „Und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen handelt sich immer mal jemand ein.“ Dies sei eine lange Erfahrung, die er auch in seiner Zeit vor der AfD gemacht habe. Damals war Gauland viele Jahre Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ in Potsdam, wo er in der gutbürgerlichen Berliner Vorstadt lebt.
Auch AfD-Politiker in Potsdam machen Ärger
Und auch in Potsdam machen seine Parteifreunde aktuell Ärger. Gerade haben dort zwei AfD-Stadtverordnete die Absetzung eines Stücks am Hans Otto Theater gefordert, weil es davon handelt, wie Menschen aus humanitären Gründen illegalen Einwanderern helfen. Es ist ein Stück, das noch nicht einmal uraufgeführt ist. Hier geht Gauland zumindest auf Distanz. „Ich glaube nicht, dass das Absetzen von Theaterstücken etwas ist, was uns und die politische Diskussion voranbringt.“
Und Gauland selbst? In den letzten Wochen und Monaten hat er eher den Eindruck vermittelt, als ob Brandenburgs Politik für ihn immer mehr zu klein, zur Pflichtübung wird. Im Landtag selbst meldete er sich selten zu Wort, er machte wochenlang Landtagswahlkampf in anderen Bundesländern, vor allem in Baden-Württemberg. Seit Monaten sucht Gauland eher die bundespolitische Bühne, mit Auftritten und Aussagen zu Merkels Flüchtlingspolitik, zur Ausrichtung der Bundespartei, wo er ein Sprecher ist.
Ist er wild entschlossen, mit der Bundestagswahl 2017 in den Bundestag zu gehen, wie er es jüngst signalisierte? Er antwortet darauf, dass er dies „erst in einem Jahr entscheiden“ will, wenn die Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt werden. Aufhorchen lässt die Begründung. „In meinem Alter ist das eine Frage der Gesundheit. Wenn ich gesund bleibe, noch beieinander, dann habe ich Interesse“, sagt der 75-jährige, der 2015 wegen einer Erkrankung wochenlang ausgefallen war. „In meinem Alter sind die Zeiträume kürzer, in denen man so etwas planen kann.“
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