Brandenburg: Gedenkstätte erhält Exponate
Originalobjekte aus sowjetischem Speziallager kommen nach Sachsenhausen
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Oranienburg - Die Gedenkstätte Sachsenhausen hat neue Originalgegenstände aus dem früheren sowjetischen Speziallager erhalten. Die 91-jährige Berlinerin Leonore Bellotti, die mit ihrer Mutter und ihrem späteren Ehemann von 1946 bis zur Auflösung des Lagers 1950 dort inhaftiert war, habe die Objekte am Donnerstag an das Museum übergeben, teilte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in Oranienburg mit.
Die Erinnerungsstücke, darunter ein Kassiber an ihren Vater, ein Schachspiel, Alltagsgegenstände und Fotos, seien von ihr selbst, ihrer Mutter Frieda Fink (1890–1977) und ihrem Ehemann Giovanni Bellotti (1916–1992) während der gemeinsamen Haft hergestellt oder getauscht worden, hieß es. Die wenigen persönlichen Gegenstände aus dem Speziallager seien von Bellotti und ihrer Familie zur Erinnerung an die schwere Zeit in sowjetischer Haft über Jahrzehnte hinweg sorgfältig aufbewahrt worden.
Leonore Bellotti wurde den Angaben zufolge unter dem Namen Fink 1925 in Königsberg geboren. Bei Kriegsende floh sie mit ihrer Mutter nach Mecklenburg, der Vater konnte erst 1948 ausreisen. In der sowjetischen Besatzungszone habe sie Informationen über die Situation in ihrer Heimatstadt gesammelt und diese in einem Brief an eine Freundin in der britischen Besatzungszone in deutlichen Worten beschrieben. Daraufhin wurde sie 1946 an ihrem 21. Geburtstag in Schwerin vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet.
Gemeinsam mit ihrer Mutter wurde sie am 4. Oktober 1946 von einem sowjetischen Militärtribunal wegen „antisowjetischer Propaganda und Agitation“, der „Verleumdung der Roten Armee“ und der Verbreitung antisowjetischer Flugblätter zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt und ins sowjetische Speziallager Nr. 7 nach Sachsenhausen verbracht.
Unter den 60 000 Menschen, die der sowjetische Geheimdienst zwischen 1945 und 1950 in dem Speziallager im früheren KZ Sachsenhausen internierte, waren den Angaben zufolge vorwiegend untere Funktionäre des NS-Regimes, aber auch Mitarbeiter aus NS-Verwaltung, Polizei, Justiz und Wirtschaft sowie SS-Personal aus den Konzentrationslagern. Außerdem waren politisch Missliebige und willkürlich Verhaftete sowie von sowjetischen Militärtribunalen Verurteilte inhaftiert. 12 000 Häftlinge starben an Hunger und Krankheiten.
Bei der Arbeit im Industriehof lernte Leonore Fink den vorherigen italienischen Konsulatsmitarbeiter Giovanni Bellotti kennen, dem Geheimdiensttätigkeit vorgeworfen wurde. Alle drei wurden im Februar 1950 entlassen. Leonore Fink und Giovanni Bellotti heirateten 1951 in West-Berlin. Yvonne Jennerjahn
Yvonne Jennerjahn
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