zum Hauptinhalt
Die Firma Imtech, die am geplanten Flughafen BER tätig ist, gerät erneut ins Zwielicht.

© dpa

Neue Pannen am Flughafen BER: Gefahr im Verzug? Kann nicht sein, darf nicht sein

Ingenieure des neuen Flughafens BER streiten mit Imtech über die Folgen eines Unfalls, der sich bereits im Juni ereignete und erst jetzt bekannt wurde. Nach drei Jahren wurde außerdem ein neuer Generalplaner gefunden.

Stand:

Schönefeld - Die Ingenieure am BER waren schwer verärgert – und alarmiert: „Wir haben leider erst gestern Nachmittag durch Dritte und den ,Baustellen-Buschfunk’ erfahren, dass es am 29.06.2015 zu einem Elektrounfall mit Personenschaden durch Lichtbogeneinwirkung gekommen ist“, heißt es in einem Schreiben vom 30. Juni an das Unternehmen Imtech, und weiter: „Sollten wir nicht umgehend von Ihnen hören, müssen wir den Bauherren empfehlen, den Betrieb einzustellen.“

Unfall am BER wurde nicht ordnungsgemäß gemeldet

Einen Tag später platzt den BER-Ingenieuren der Kragen: Der „unendlich geführte E-Mail Verkehr“ sei „nicht zielführend“, beschwert sich der Geschäftsleiter des Ingenieurbüros, „gemäß der Architektenvollmacht ordnen wir hiermit an, kompetente und aussagefähige Mitarbeiter ... zu entsenden, um ... einen Maßnahmenplan zur Sicherstellung des Flugbetriebs der Start- und Landebahn Süd zu erarbeiten.“

Die internen Schreiben, die dieser Zeitung vorliegen, sind in mehrfacher Hinsicht brisant. Demnach wurde ein Unfall am BER mit einem verletzten Arbeiter nicht ordnungsgemäß gemeldet – der Mann soll Verbrennungen an der Hand erlitten haben, als er einer Stromleitung zu nahe kam. Zudem gerät abermals die umstrittene Firma Imtech ins Zwielicht – zusätzlich zum bekannten Korruptionsfall und der Insolvenz.

Der Tüv verlangt eine unverzügliche Klärung

Drittens drängt sich die Frage auf: Wie kann ein Unfall im noch nicht für den Betrieb zugelassenen Terminal ein Sicherheitsrisiko für den laufenden Flugbetrieb bedeuten? Die Ingenieure erkennen jedenfalls am 1. Juli auf „Gefahr im Verzug“ und ordnen an, dass Imtech „ab sofort“ jeweils am Vortag einen exakten Plan einzureichen hat – inklusive „Schaltberechtigung des entsprechenden Mitarbeiters“.

An den beiden darauffolgenden Tagen finden zwei Besprechungen statt, beteiligt sind Mitarbeiter vom Tüv, der Flughafengesellschaft, von Imtech und des Ingenieurbüros. Das Ergebnis laut Protokoll ist, dass „Gefahr im Verzug nicht besteht“. Die Begründung für diese Einschätzung ist allerdings rein formell. Die Beteiligten haben sich lediglich darauf verständigt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf („... keinen Einfluss auf den Flugbetrieb haben kann und darf“.) Der Tüv verlangt eine Klärung – „unverzüglich“.

Flughafengesellschaft: Unfall hat keine Auswirkungen auf den Flugbetrieb

Klar ist, dass es „Schnittstellen“ gibt zwischen dem nicht abgenommenen Terminal und der in Betrieb genommenen, neuen südlichen Startbahn – auch solche, die „betriebsnotwendig“ sind. Klar ist auch, dass der Unfall Schäden angerichtet hat – und dass es im betroffenen Abschnitt nur einen Trafo gibt. Die Ingenieure befürchten bei Überlastung auch eine „Abschaltung“, die für den Flugbetrieb relevant ist – genannt werden der Mobilfunk und die Flugwarnbefeuerung.

Die Flughafengesellschaft erklärte am Sonnabend, der Unfall habe keinerlei Auswirkungen auf den Flugbetrieb. Ein Imtech-Sprecher wies darauf hin, dass es sich um einen „selbstverschuldeten Unfall eines Arbeiters eines Subunternehmens“ gehandelt habe. Der Untersuchungsausschuss-Vorsitzende Martin Delius sagte, „angesichts der Art und Weise, wie sich Imtech gegen Transparenz und Zusammenarbeit auf der Baustelle wehrt“, sei „ein Festhalten an der Firma durch die FBB unverantwortlich“.

Mühlenfeld: Imtech-Insolvenz bringt mindestens zwei Wochen Verzögerung

Wegen der Imtech-Insolvenz hatte Karsten Mühlenfeld, Chef der Flughafengesellschaft, von einer Verzögerung von zwei bis drei Wochen gesprochen. Allerdings waren die Rückstände auf der Baustelle schon zuvor größer als bisher bekannt. In der letzten Aufsichtsratssitzung Anfang Juli bezifferte Technikchef Jörg Marks nach PNN-Informationen die Rückstände in einigen Bereichen auf bis zu sechs Wochen, für andere sogar auf bis zu drei Monate. Die größten Rückstände gibt es demnach bei der Planung und dem Umbau der Entrauchungsanlage. Bis September soll ein neuer Meilenstein-Plan vorgelegt werden.

Am Sonntag bestätigte die Flughafengesellschaft, dass für den BER nach drei Jahren vergeblicher Suche ein neuer Generalplaner gefunden worden ist. Wie die „Bild am Sonntag“ berichtete, soll die Schüßler-Plan Generalplanungsgesellschaft die restlichen Planungen bis zur Flughafeneröffnung 2017 koordinieren. Im Mai 2012 hatte sich die Flughafengesellschaft vom ursprünglichen Generalplaner getrennt. Ihm wurde vorgeworfen, die Bauüberwachungsleistungen mangelhaft koordiniert zu haben. Inzwischen besteht weitgehend Einigkeit darin, dass der Rausschmiss – eine Entscheidung des Aufsichtsrats unter Vorsitz der damaligen Regierungschefs von Berlin und Brandenburg Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD) – ein Fehler war. Die Suche nach einem Nachfolger war trotz europaweiter Ausschreibung bisher erfolglos geblieben.

BER-Anwohner bekommen Entschädigungen

Neue Zahlen gibt es beim Schallschutzprogramm: Weil sie ihre Terrassen, Balkone und Hausgärten nicht mehr ungestört nutzen können, haben BER-Anwohner bislang 15 Millionen Euro Entschädigung bekommen. Das Geld wurde für rund 3400 Objekte im Außenwohnbereich gezahlt, wie Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) auf eine parlamentarische Anfrage der Freien Wähler mitteilte. In den Schallschutz an rund 2700 Wohnungen und Häusern ist laut FBB-Sprecher bis Ende Juli ein „mittlerer zweistelliger Millionen-Betrag“ geflossen. Für 11 900 Wohnungen wurden Anträge gestellt. Bis Mai waren gerade einmal 655 davon bewilligt. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })