Von Thorsten Metzner: Gefährliche Triebtäter früher fit für die Freiheit machen
Berlin und Brandenburg präsentieren neues, liberales Konzept zur Sicherungsverwahrung in der Hauptstadtregion
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Potsdam - Die beiden Rot-Rot regierten Länder Berlin und Brandenburg setzen auf „liberale“ Ansätze bei der „Sicherungsverwahrung“, bei der besonders gefährliche Straftäter auch nach der Haft hinter Schloss und Riegel bleiben. Beide Justizressortchefs, Gisela von der Aue (SPD) und Volkmar Schöneburg (Linke), präsentierten am Mittwoch in Potsdam dafür neue „Eckpunkte“, die von einer hochkarätig besetzten Arbeitsgruppe aus Forensikern, Juristen und Praktikern des Strafvollzuges beider Länder entwickelt wurden. „Unser Ziel lautet: Reintegration in Freiheit und nicht eine möglichst lange Haftzeit“, sagte von der Aue. Dies soll mit Hilfe verbindlicher und einklagbarer individueller Therapien, Behandlungen und Betreuungen erreicht werden, wofür allerdings allein in Berlin „ein Drittel“ mehr therapeutisches Personal benötigt werde, mindestens drei bis vier Stellen. Schöneburg sprach von einem „Paradigmenwechsel“. Beide Länder wollen die Eckpunkte in neue Vollzugsgesetze einfließen lassen, die derzeit in Berlin und Brandenburg parallel vorbereitet werden. Kritik kam von der Union und der FDP.
Zwar wollen beide Länder auch bei der konkreten Unterbringung der Sicherungsverwahrten kooperieren, so von der Aue und Schöneburg. Eine Einigung gibt es aber bislang aber nicht. Die von Brandenburg favorisierte Idee einer gemeinsamen Anstalt, in der alle Sicherungsverwahrten der Region untergebracht werden, ist offenbar vom Tisch. Von der Aue betonte jedenfalls, dass es „mehr als eine Einrichtung“ sein wird, was auch wegen der sehr unterschiedlichen Klientel und speziellen Betreuungs- und Sicherungserfordernissen nötig sei.
Bei herkömmlichen Strafgefangenen hatte Berlin unter Verweis auf Urteile des Kammergerichtes mehrfach Angebote Brandenburgs abgelehnt, Häftlinge aus überfüllten Anstalten wie Tegel in halbleeren märkischen Gefängnissen unterzubringen und auf den Neubau der JVA Haidemühl zu verzichten. Von der Aue deutete an, dass bei Sicherungsverwahrten hingegen eine Unterbringung von Berlinern in Brandenburg möglich sei, „unter der Voraussetzung, dass dort eine bessere Behandlung möglich ist.“ Schöneburg wiederum betonte, dass Brandenburg wegen der geringen Zahl der Sicherungsverwahrten zur „Kooperation verdammt“ sei. Diese müssen, da sie ihre reguläre Haft verbüßt haben, nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anders behandelt werden als herkömmliche Gefangene. Neu sei etwa, dass künftig die Behandlung schon während des regulären Strafvollzuges beginne, was die Erfolgsaussichten erhöhe, erläuterte Schöneburg. Die Eckpunkte sehen auch eine „exklusivere“ Unterbringung vor, in Wohngruppen, mit Computer- und Hobbyräumen, Möglichkeiten für Langzeitbesuche für Partner.
Unterstützung für den Ansatz kam von Fachleuten wie von Hans-Ludwig Kröber, Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Charite: „Gegenüber dem Mainstream der Rechtspolitik ist es ein Versuch innezuhalten, statt mit immer mehr Foltermittel und Strafmittel die Bevölkerung zu beruhigen.“ Aus Sicht von Kröger ist diese Linie auch mit Blick auf Sicherheit und auf Kosten die Erfolg versprechendere. Ein Platz in der Sicherungsverwahrung koste jährlich 30 000 Euro. Es sei nicht sinnvoll, immer mehr und immer länger dort zu lassen. Er verglich die Klientel mit dem Maßregelvollzug. Dort sei die Rückfallquote unter 10 Prozent, bei herkömmlichen Straftätern dagegen 50 bis 70 Prozent.
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