Brandenburg: Gemeinschaftliche Komplizenschaft
Die Gedenkstätte Sachsenhausen plant neue Dauerausstellung über SS-Täter im Konzentrationslager
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Oranienburg - SS-Führer in Herrenmenschenpose vor dem Schloss, SS-Rekruten auf einem Bootssteg am See: Die bislang unbekannten Fotos aus Oranienburg gehören zu den Exponaten der neuen Dauerausstellung der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, die im Mai 2017 eröffnet werden soll. Unter dem Titel „Arbeitsteilige Täterschaft“ werden dort die Organisationsstruktur der Lager-SS und Biografien der Täter dargestellt.
Ziel sei zu zeigen, dass die Verbrechen im KZ Sachsenhausen in „gemeinschaftlicher Komplizenschaft“ verübt wurden, betonte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, bei der Vorstellung des Konzepts am Mittwoch in Oranienburg. Denn die einzelnen Täter seien mehr gewesen als „bloße Funktionsträger, die sich unterordneten und gehorchten“. Sie hätten auch eigene Handlungsspielräume gehabt und sich letztlich freiwillig an den Verbrechen beteiligt.
Das KZ Sachsenhausen wurde während der Olympischen Sommerspiele 1936 als Modell- und Schulungslager der SS in unmittelbarer Nähe der Reichshauptstadt Berlin errichtet. Bis zur Befreiung 1945 waren dort mehr als 200 000 Menschen inhaftiert. Zehntausende starben an Hunger, Krankheiten, Misshandlungen und Zwangsarbeit oder fielen den systematischen Vernichtungsaktionen der SS zum Opfer. Im KZ Sachsenhausen seien die Häftlinge der fast unbeschränkten Herrschaft von 100 bis 250 Mitgliedern des SS-Kommandanturstabes unterworfen gewesen, hieß es. Bis zu 3500 weitere SS-Männer gehörten der Totenkopfstandarte Brandenburg an, im Kommandantenhaus liefen alle Fäden zusammen.
Dort hätten der Kommandant, seine sechs Abteilungsleiter und der Chef der Wachtruppe auch die Massenmordaktionen, darunter die Ermordung von mehr als 10 000 sowjetischen Kriegsgefangenen im Herbst 1941 geplant. Die Morde an den Kriegsgefangenen sind ebenso Thema der Ausstellung wie die Massenmorde aus der Schlussphase des Lagers 1944 und 1945.
Am Beispiel von zwei exemplarischen Mordtaten im KZ Sachsenhausen soll in der Ausstellung das Zusammenwirken der daran beteiligten SS-Instanzen dargestellt werden, hieß es. Die rund 160 Quadratmeter große Dokumentation ist die letzte der drei Dauerausstellungen über die Täter des Konzentrationslagers und wird im weitgehend original erhaltenen ehemaligen Haus des KZ-Kommandanten gezeigt. Themen sind auch das Leben der SS-Männer außerhalb ihres Dienstes und der juristische Umgang mit den Tätern nach 1945. Unter den Exponaten sind Fotos aus dem Besitz von Gustav Wegner, 1940 bis 1944 Kommandeur der Wachtruppe von Sachsenhausen, und zwei Fotoalben des SS-Mannes Hans Theodor Goos, private Aufnahmen hochrangiger SS-Führer und Alltagsszenen.
„Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Objekte, Fotos und Dokumente mit Bezug zu SS-Männern des KZ Sachsenhausen erworben oder auch von Angehörigen bekommen“, betonte Morsch: „Diese Quellen sind besonders wertvoll, da sie tiefe Einblicke in das Selbstverständnis der Täter erlauben.“ So seien unter anderem ein geschnitzter Briefbeschwerer und ein Stuhl in die Gedenkstätte gelangt, die von Häftlingen für die SS angefertigt werden mussten. Die Stiftung setzt nun darauf, dass weitere Erinnerungsstücke aus dem KZ an die Gedenkstätte übergeben werden, die zum Teil noch in Privatbesitz aufbewahrt werden. Yvonne Jennerjahn
Yvonne Jennerjahn
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