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Geburtstagsmann. Bei der Wand hätte man meinen können das Land feiert ihn, aber Manfred Stolpe wurde am Montag von seiner Partei zu seinem 75. Geburtstag geehrt. Die SPD hat er zwar nicht gegründet, aber an die Macht geführt und dort gehalten.

© K-D. Gabbert/dapd

BRANDENBURG-BERLIN: „Gerecht geworden“

Die SPD ehrte Manfred Stolpe, ihren ersten Regierungschef in Brandenburg, zum 75. Geburtstag. Fast alle trafen den Ton, aber nicht alle waren gekommen

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Potsdam - „Unerhört“, raunt es vernehmbar im Saal, als Egon Bahr plötzlich eine wütende Philippika gegen die Stasi-Unterlagenbehörde startet. Und damit dem Festakt der Landes-SPD zu Ehren des 75-jährigen „Gründungsministerpräsidenten“ Brandenburgs Manfred Stolpe an diesem Montag im Potsdamer Nikolaisaal plötzlich polemische Schärfe gibt. Der frühere Ost-Politiker und SPD-Sicherheitsexperte Willy Brandts wirft der Jahn-Behörde wegen derem Umgang mit Stasi-Mitarbeitern mangelnden Versöhnungswillen vor. Sie habe Anteil daran, dass die innere Einheit nicht weiter ist, sagt Bahr. „Wir versöhnen uns eher mit unseren Nachbarn als mit uns selbst.“ Er macht keinen Hehl daraus, dass seiner Ansicht nach die Stasi-Akten besser hätten geschlossen bleiben sollen, zumal die über „trojanische Pferde“ im Westen ohnehin vernichtet seien. Selbst Sozialdemokraten fanden das deplatziert, kaum im Sinne des Jubilars, der als Mann des Ausgleichs gilt, als „Brückenbauer“.

Und genau das hatte die Veranstaltung, in der menschliche, leise Töne überwogen, bis dahin auch dominiert. Fast 600 Gäste waren gekommen, um dem früheren Kirchendiplomaten, Ministerpräsidenten und Bundesverkehrsminister die Referenz zu erweisen: Man stand Schlange, um Stolpe persönlich die Hand zu schütteln. Viele Weggefährten waren erschienen, aus der Kirche, aus den Aufbaujahren. So kam Eberhard Diepgen, mit dem Stolpe vergeblich die Fusion von Berlin und Brandenburg versuchte. Und der trotz der Bahr-Rede fand, dass die Ehrung den richtigen Ton getroffen hat, dass Stolpe sie verdient hat. „Es wird ihm gerecht.“ Ähnlich äußerte sich Markus Meckel, der frühere Außenminister und Mitbegründer der oppositionellen Ost-SPD. Sicher habe Stolpe mit der SED-Aufarbeitung im Lande Fehler gemacht, aber er habe große Verdienste für Brandenburg, „keine Frage“.

Einer der prominentesten unter den Gästen, extra angereist, war Hans-Dietrich Genscher, der frühere FDP-Bundesaußenminister, vor 1989 einer seiner Gesprächspartner im Westen. Und einer, der aus dieser Erfahrung heraus an der Integrität Stolpes keinen Zweifel hat, wie er am Rande bekräftigte. Stolpe sei eine „große Persönlichkeit, mit Verdiensten für das wiedervereinigte Deutschland“. Dass er später wegen seiner Stasi-Kontakte unter Beschuss geriet, die Debatte darum öfter aufflackert, „macht sie nicht berechtigter“, sagte Genscher.

Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hob in seiner launig gehaltenen Festrede hervor, dass Stolpe „wesentlich zur Überwindung der Spaltung Deutschlands“ beigetragen habe. Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) stellte die Wiedergründung des Landes heraus, das so „ohne Stolpe nicht existieren würde“. In einem Film wurden aber auch Tiefen und Rückschläge aus dem politischen Wirken Stolpes nicht ausgespart, gescheiterte Großprojekte wie den Cargolifter, die Stasi-Vorwürfe, die umstrittene Vergangenheit. Bei der Diplomatie mit Mächtigen des SED-Staates sei Stolpe aber „ohne jede Einschränkung“ ein „Mann der Kirche“ gewesen, sagte Altbischof Wolfgang Huber. Er erinnerte daran, dass Stolpe damals oft allein die Kastanien aus dem Feuer holen musste, dass die Kirchenoberen gar nicht genau wissen wolltem, mit wem er da sprach. „Man brauchte die vorpreschenden Bürgerrechtler. Man brauchte aber auch den, der sie aus dem Knast holte. Der zweite war so wichtig wie die ersten.“

Allerdings: Stolpe polarisiert, ob bei Freunden wie Bahr, oder auf der anderen Seite. Von früheren Oppositionellen kam niemand. Und die Reihen der Opposition im Landtag, auf deren Druck eine Enquete-Kommission gerade die Stolpe-Ära durchleuchtet, waren spärlich vertreten, FDP und Grüne vereinzelt. Und die CDU? Jörg Schönbohm hatte sich entschuldigen lassen. Der letzte DDR-Innenminister und erste Oppositionsführer Peter Michael Diestel war da. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg Dietlind Tiemann dankte Stolpe für seinen Einsatz zugunsten ihrer Stadt, und der frühere Landtagsvizepräsident Martin Habermann bemerkte ironisch-sarkastisch, er sei die „schwarze Laus im roten Meer“. Die Spitze der Landes-CDU, die von 1999 mit der SPD regiert hatte, bis zu seinem Abtritt 2002 auch mit Stolpe, blieb dem Festakt demonstrativ fern. Und der Jubilar? Er zeigte sich auf seine Art durchaus berührt. Wenn er nicht so stur wäre, sagte Manfred Stolpe in seiner Dankesrede, wären ihm womöglich „die Tränen gekommen“.

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