Brandenburg: Gericht: Hartz-IV- Verschärfung verfassungswidrig
Berlin - Das Berliner Sozialgericht hat gestern eine im vergangenen Jahr beschlossene Verschärfung der Hartz-IV-Regelungen für verfassungswidrig erklärt. Demnach ist es nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, wenn jemand in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft finanziell für ein „fremdes“ Kind des Partners aufkommen soll, wie es das Sozialgesetzbuch II seit August nach einer Gesetzesänderung vorsieht.
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Berlin - Das Berliner Sozialgericht hat gestern eine im vergangenen Jahr beschlossene Verschärfung der Hartz-IV-Regelungen für verfassungswidrig erklärt. Demnach ist es nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, wenn jemand in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft finanziell für ein „fremdes“ Kind des Partners aufkommen soll, wie es das Sozialgesetzbuch II seit August nach einer Gesetzesänderung vorsieht. In einer Eil-Entscheidung erließ das Sozialgericht gestern eine Anordnung gegen das Job-Center Reinickendorf, die Sozialleistungen für ein 15-jähriges Mädchen zu zahlen, die es zuvor unter Bezug auf die neue Regelung gestrichen hatte. Außerdem kündigte Richter Felix Clauß an, die Neuregelung dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung vorzulegen, wenn es zu einem Hauptverfahren kommt.
Vor Gericht gezogen waren eine 36-jährige arbeitslose Kellnerin und deren 15-jährige Tochter. Der Lebensgefährte der Frau ist zwar ebenfalls arbeitslos, er erhält aber das höhere Arbeitslosengeld I, das nach dem früheren Einkommen berechnet und nicht erst nach einer Bedarfsprüfung gezahlt wird.
Nach Auffassung des Job-Centers Reinickendorf ist dieses Einkommen von 48,66 Euro täglich ausreichend, den Lebensunterhalt sowohl von der Mutter als auch der Tochter zu sichern. Es strich daraufhin nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die zuvor bewilligten knapp 300 Euro für das Mädchen. Erst wenn auch das Einkommen und das Vermögen des „Stief“-Partners für den Lebensunterhalt nicht ausgereicht hätten, hätte das Mädchen einen Anspruch auf Sozialleistungen. Vor der Gesetzesänderung war bei der Berechnung der Ansprüche lediglich das Elterneinkommen zugrunde gelegt worden.
Richter Clauß wies darauf hin, dass ein Kind keine Möglichkeiten habe, das Geld von dem Lebensgefährten der Mutter auch tatsächlich einzufordern. Denn dieser sei nach dem Familienrecht nicht unterhaltsverpflichtet. „Insofern ist dies nur ein fiktives Einkommen“, sagte der Richter. Das Kind könne nur einen eigenen Anspruch auf Existenzsicherung bekommen, wenn es allein oder mit der Mutter den Haushalt verlässt. Dieser „mittelbare Zwang zur Beendigung einer Partnerschaft“ widerspreche aber dem grundgesetzlich garantierten Recht auf Persönlichkeitsentfaltung. Sigrid Kneist
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