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Unter Zeitdruck: Bis 2015 will der Energiekonzern Vattenfall sein CCS-Projekt im Land Brandenburg einsatzbereit haben. Einwände zu den vorgeschriebenen Planfeststellungen könnten den ambitionierten Zeitplan des Konzern jedoch sprengen.

© Patrick Pleul

Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: Gesetzesentwurf liefert CCS-Gegnern Munition

Bürgerinitiativen und Politik in den betroffenen Kommunen wollen Genehmigung mit Klagen verzögern

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Potsdam - Eigentlich soll das neue CCS-Gesetz Grundlage für die industrielle Erprobung der Technologie sein, stattdessen aber bietet der Entwurf Kritikern der unterirdischen Kohlendioxid-Speicherung offenbar einige Munition. Vertreter der Bürgerinitiativen und der Lokalpolitik aus den Kommunen Beeskow (Oder-Spree) und Neutrebbin (Märkisch-Oderland), in deren Umfeld der Energiekonzern Vattenfall derzeit mit Genehmigung des brandenburgischen Landesbergamtes den Untergrund nach möglichen Speicher untersucht, haben am gestrigen Montag angekündigt, alle sich bietenden Lücken ausnutzen zu wollen. „Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, die das kommende Gesetz bietet“, sagte etwa der Sprecher der Bürgerinitiative „CO2-Endlager stoppen“ aus Beeskow (Oder-Spree), Mike Kess.

Den Hebel ansetzen wollen die CCS-Gegner (Carbon Capture an Storage) vor allem am Planfeststellungsverfahren samt Umweltverträglichkeitsprüfung, die der Gesetzesentwurf, wie berichtet, für CO2-Speicher vorsieht. Damit wird Kommunen, Verbänden und Initiativen vor Ort ein weitreichendes Recht auf Intervention eingeräumt. Mit Klagen bis vor die höchsten Gerichte könnten sie eine Genehmigung über Jahre hinauszögern. „Es kann ohne Weiteres zu einer langen Klagegeschichte kommen“, warnte gestern der Bürgermeister der Stadt Beeskow, Frank Steffen (SPD). Werde das Gesetz in der Form verabschiedet, werde den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, verwaltungsrechtlich vorzugehen.

Verzögerungen kann sich Vattenfall nicht leisten. Bis 2015 muss der Konzern seine für Jänschwalde (Spree-Neiße) geplante Demonstrationsanlage samt Leitung und Speicher fertig haben, sonst verfallen die zugesagten 180 Millionen Euro Fördermittel der EU. Auch Vattenfall-Sprecher Damian Müller bezeichnete den Zeitplan des Konzerns gestern als „ambitioniert“. Allerdings gehe er davon aus, dass die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg bringen werde, dass den Einsatz der CCS-Technologie ermögliche, so Müller. „Sobald das Gesetz vorliegt, werden wir die Genehmigungsverfahren einleiten“, versicherte der Vattenfall-Sprecher.

Eine weitere Hürde für die CCS-Technologie ist, wie berichtet, die sogenannte „Langzeitsicherheit“, die laut Gesetzesentwurf Voraussetzung für eine Speicher-Genehmigung ist. Demnach müssten die Betreiber gewährleisten können, dass das Kohlendioxid „vollständig und auf unbegrenzte Zeit in den Kohlendioxidspeicher zurückgehalten werden kann“. Doch immer wieder weisen Wissenschaftler darauf hin, dass hundertprozentige Sicherheit nicht garantiert werden könne. Erst in der vergangenen Woche betonte der Leiter der CCS-Probeanlage des Geoforschungsinstituts Potsdam im havelländischen Ketzin, Michael Kühn, eine generelle Sicherheitsgarantie könne die Wissenschaft nicht bieten.

Bleibe es bei der Sicherheitsklausel, „müsste CCS eigentlich Geschichte sein“, meinte gestern deshalb der parteilose Bürgermeister der Gemeinde Neutrebbin, Siegfried Link. „Es gibt nichts was absolut sicher ist.“ Entsprechende Beispiele, wie etwa Tschernobyl oder die Ölpest im Golf von Mexiko, gebe es zu genüge. „Für eine unendliche Sicherheit wird kein Wissenschaftler seine Hand ins Feuer legen“, glaubt auch Beeskows Bürgermeister Steffen.

Die Hoffnung der Kritiker, die im Entwurf geforderte Berücksichtigung möglicher Raumordnungsziele der Länder, könnte ebenfalls den CCS-Plänen ein Bein stellen, scheint indes unbegründet. Aus der Landesregierung hieß es gestern, die Klausel besage nur, dass die raumordnerischen Ziele bei der Planfeststellung berücksichtigt werden müssen. Wenn keine Ziele vorliegen, müssten diese dann eigens für die Regionen formuliert werden, doch das sei nicht der Fall. Weitere Kommentare zum Inhalt des Entwurfs wurden nicht abgegeben. Aus dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium hieß es mit Verweis auf die „politische Dimension“ nur, die Landesregierung stimme sich derzeit ab. Eine Diskussion über den Entwurf werde es nicht geben, inhaltlich könne sich noch einiges ändern.

Der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag, Steeven Bretz, kritisierte das Stillschweigen der Landesregierung und lobte das Papier der Bundesregierung als „Gesetzesentwurf mit Augenmaß.“ Bretz räumte jedoch ein, dass es wohl zu zahlreichen Klagen kommen werde.

Der Energieexperte der Grünen-Fraktion im Landtag, Michael Jungclaus, stufte die Chancen der CCS-Gegner gestern trotzdem als gering ein. „Die Dreifaltigkeit aus Vattenfall, Landeswirtschaftsminister Ralf Christoffers und schwarz-gelbe Bundesregierung wollen die CO2-Verpressung mit aller Macht durchbringen“, sagte Jungclaus.

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