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Ertrunken. Das Hochwasser hat massive Folgen für die Tierwelt. Nicht nur Rehe, sondern auch Biber kamen in den Fluten um.

© dpa

Brandenburg: Giftiger Schlamm, Kadaver und Unwetter

Nach dem Hochwasser drohen neue Gefahren. Tausende Wildtiere sind in den Fluten umgekommen

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Potsdam - Ob Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Thüringen: Das Hochwasser hat sich aus den meisten Winkeln verzogen. Doch die Folgen und Hinterlassenschaften der Fluten sind gravierend.

DAS MITGESPÜLTE GIFT

Das gewaltige Hochwasser hat nicht nur zerstörte Häuser und abgeknickte Bäume hinterlassen, sondern auch giftige Böden und gesundheitsgefährliche Keime. Es bleiben Schlamm, Gestank und Abfall. Ackerflächen und Weiden sind potenziell von Giftstoffen gefährdet – aber auch Gärten, sagte der Professor für Bodenkunde und Bodenbiogeochemie von der Universität in Halle, Reinhold Jahn. Die Ablagerungen der Flüsse seien prinzipiell etwas Positives. „Sie sind sehr fruchtbar“, sagte Jahn. Doch in den Gewässern kämen wegen angrenzender Industriewerke auch Schwermetalle vor. „Wenn sich diese in den Auen ablagern, ist das für die Natur problematisch“, sagte Jahn. Zudem lagerten in Kellern Chemikalien. Farbeimer und Öltanks seien in den Fluten nach oben getrieben worden und ausgelaufen. „Wenn es ein dünner Film ist, wird er in einem Dreivierteljahr von selbst abgebaut“, so Jahn. Sonst müssten dringend Behörden zur Reinigung gerufen werden.

VIELE TIERE SIND ERTRUNKEN

Das Hochwasser hat in Brandenburg Tausenden Wildtieren das Leben gekostet. „Viele Rehe und Hasen, einige Füchse, aber auch andere kleine Tiere wie Mäuse und Maulwürfe sind in den überfluteten Gebieten ertrunken“, sagte der Präsident des Umweltamtes, Matthias Freude. Auch zahlreiche Vogelnester von Wiesenbrütern wurden von den Wassermassen überspült. „Sogar Biber ertrinken beim Hochwasser, wenn die Strömung zu stark ist oder sie in ihren Bauen eingeschlossen werden und ersticken.“ Viele Tierkadaver werden erst jetzt sichtbar, da das Wasser in der Prignitz, im Havelland und in den anderen betroffenen Regionen langsam abfließt. Die bei Weitem größten Auswirkungen hat die Flut bei Spinnen und Insekten. „Millionen kleiner Krabbeltiere sind hier betroffen“, sagte Freude. Und sogar Fische hätten unter den Wassermassen zu leiden: „Mit dem Hochwasser selbst kommen ältere Fische zwar meist klar. Schwierig wird es, wenn das Wasser auf überfluteten Flächen länger steht“, erklärte der Umweltexperte. Bei den jetzigen heißen Temperaturen sei der Sauerstoffvorrat rasch aufgebraucht und die Tiere ersticken. „Ein Fischsterben ist hier vorprogrammiert. Und wenn das Wasser zurückgeht, werden weitere Fische auf dem Trockenen zappeln“, ergänzte Freude.

ANDERE ARTEN PROFITIEREN

Störche, Kraniche, Graureiher und andere fischfressende Arten können sich da freuen – sie gehören zu den Profiteuren der Flut. Auch ans Tageslicht kommende Regenwürmer sowie flüchtende Mäuse und Maulwürfe brauchen sie nur aufzusammeln. Aber viele Flüchtlinge überleben die Fluten auch unbeschadet – selbst ohne eine Arche Noah: „Die Tiere sind nicht unvorbereitet. In ihrer Entwicklungsgeschichte haben sie Hochwasser schon oft erlebt“, sagte Freude. Und manche hätten im Laufe der Jahrmillionen erstaunliche Mechanismen entwickelt, um Flutkatastrophen zu entgehen. So können alle Säugetiere schwimmen. Vögel legen neue Eier und machen sogenannte Nachgelege, wenn ihre Nester überspült wurden. Und sogar am Boden krabbelnde Spinnen können den Wassermassen entfliehen. „Sie geben seidene Fäden in die Luft ab und lassen sich vom Wind wie an kleinen Fallschirmen davontragen“, sagte Freude.

KEIN GEMÜSE UND WEIDEVERBOT

Auch die in den Fluten ertrunkenen Tiere belasten die Umwelt. Die Kadaver würden Verwesungs- und Fäkalkeime ins Wasser leiten, sagte Jahn. „Es wird dringend davon abgeraten, in den Hochwassergebieten Gartengemüse zu essen“, riet Jahn. Das Grundwasser sei hingegen nicht gefährdet, da es meist aus tieferen Grundwasserstockwerken käme. Die Landwirte kämpfen derweil mit ganz anderen Problemen. Kühe und Pferde dürften erst weiden, wenn die Ämter die untersuchten Felder wieder freigeben würden, heißt es vom Bauernverband. Es sei möglich, dass Weiden noch monatelang gesperrt blieben. Da noch immer riesige Flächen unter Wasser stehen und einige Gebiete kontaminiert sein könnten, kann auf den Feldern kein Heu für die kalte Jahreszeit gemacht werden.

NEUE GEFAHREN DURCH UNWETTER

Bei einem heftigen Unwetter im Hochwassergebiet in der Prignitz sind die Elbdeiche an zwei Stellen beschädigt worden. Nach Behördenangaben ist in der Nacht zum Donnerstag eine entwurzelte Eiche auf den Wall zwischen Wootz und Mödlich gestürzt. Auch zwischen Müggendorf und Cumlosen wurde der Deich durch eine umgestürzte Eiche beschädigt. „Die Feuerwehr hat nun kräftig zu tun, um die beschädigten Elbdeiche mit Sandsäcken zu verstärken“, sagte eine Polizeisprecherin weiter. Der Deutsche Wetterdienst in Potsdam warnte auch für die Nacht zum Freitag vor schwerem Unwetter. Eine neue Gefahr für die Hochwassergebiete besteht nach Einschätzung des Landesumweltamtes dadurch aber nicht. „Für die Elbe ist es völlig unerheblich, ob es Gewitter mit starkem Regen gibt“, sagte der Präsident des Umweltamtes, Matthias Freude. Kurzfristige Regengüsse hätten wenig Einfluss. „Nur für einige kleinere Flüsse wie die Stepenitz, die ihr Ursprungsgebiet in Brandenburg haben, sind bei so kurzfristigen Unwettern wirklich Gefahren zu erwarten“, sagte Freude. Dies gelte auch für die Pulsnitz oder die Röder, beides Nebenflüsse der Schwarzen Elster im Süden des Landes. Vor 20 Jahren hatten sintflutartige Regenfälle an der Stepenitz zu Hochwasser geführt. In den Landkreisen Perleberg und Pritzwalk waren Schäden von rund 15,3 Millionen Euro an öffentlichen Gebäuden entstanden. „Die Stepenitz hat ohnehin noch Probleme mit dem Rückstau zur Elbe – da muss man jetzt genau hinschauen“, warnte Freude. Insgesamt bezeichnete er die Hochwasserlage inzwischen als entspannt. dpa

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