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Glück mit Schwein. Andreas Vogel mit seiner Schweineflüsterin Christine Jape.

© Matthias Matern

Brandenburg: Glücksschweine?

Mit seinen „Saalower Kräuterschweinen“ will sich Landwirt Andreas Vogel auf dem regionalen Markt etablieren. Dabei setzt der 52-Jährige auf eine möglichst artgerechte Haltung. Nicht immer reicht das

Von Matthias Matern

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Was braucht ein Schwein zum Glücklichsein? Die Schweine im Stall von Andreas Vogel sehen jedenfalls nicht unglücklich aus – und das, obwohl ihr Zuhause auf dem Hof in Saalow im Landkreis Teltow-Fläming auf den ersten Blick kaum etwas gemein hat mit dem landläufigen Ideal eines Bauernhofes, wie es einem Werbung, Kinderbücher und so manche romantisierende, deutsche TV-Soap nahelegen. Statt sich unter freiem Himmel im Schlamm zu suhlen, stehen Vogels Schweine jeweils zu zehnt und nach Altersklassen eingeteilt in einzelnen, zehn Quadratmeter großen Abteilen, sogenannten Buchten, in einem großen Stall. Neugierig drängen sie sich an das Gitter und beschnuppern Christine Japes Hand. „Klare Augen, die Borsten sehen nicht stumpf aus, sondern glänzen. Die sehen gut aus“, sagt die gelernte Landwirtin und tätschelt mit der flachen Hand eines der älteren Tiere.

Jape ist so etwas wie Vogels Schweineflüsterin. Seit rund drei Jahren arbeitet sie als Anlagenleiterin bei der Saalower Mast GmbH. Ein Glücksgriff, findet ihr Chef. „Sie sieht den Tieren schon am Blick an, ob etwas nicht stimmt“, sagt Andreas Vogel. Wie das Schweine-Domizil strahlt auch Vogels Arbeitsplatz keine bäuerliche Gemütlichkeit aus. Statt in einer urigen Stube in einem Fachwerkhaus sitzt er rund fünf Kilometer vom Schweinestall entfernt in Gadsdorf in einem flachen Bürobungalow, der seine Vergangenheit als Verwaltungsgebäude der früher dort ansässigen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft nicht verbergen kann.

Vogel selbst hat 1990 als Betriebsleiter in Gadsdorf begonnen. Damals hatte er gerade erst sein Studium zum Pflanzenbauer beendet und mit Tierhaltung keine Erfahrung. „Als ich hier anfing, war ich zuerst wirklich geschockt“, räumt er ein. Und das nicht nur, weil der Betrieb damals einen recht abgewirtschafteten und verschlissenen Eindruck gemacht habe. „Es ist zum Beispiel ganz normal, dass beim Abferkeln, also bei der Geburt, nicht immer alle Ferkel überleben, manche werden tot geboren, andere sind zu schwach.“ Das passiere auch in einem Bio-Betrieb. „Die toten Tiere landeten dann damals zunächst einfach in einem Eimer“, erinnert sich Vogel. „Ich war das einfach nicht gewöhnt.“

Heute führt Vogel neben der Saalower Mast GmbH noch die Saalower Agrar GmbH und die Gadsdorfer Bauernhof GmbH. Insgesamt bewirtschaftet er über alle Betriebsteile gut 1400 Hektar Fläche. Auf rund 850 Hektar davon betreibt er Ökolandbau, baut unter anderem Getreide und sogenannte Lupine als Futter für seine Schweine an. Momentan beschäftigt Andreas Vogel außer Christine Jape vier weitere Mitarbeiter.

Derzeit befinden sich im Schnitt 2000 Schweine im Stall. Pro Jahr kommt Vogel auf drei Mastdurchgänge. Gerade entsteht neben dem alten Stall für etwa zwei Millionen Euro ein zweiter. Vor rund neun Jahren hat der Landwirt begonnen, seine Schweinehaltung umzukrempeln – hin zu einem mehr und mehr ökologisch wirtschaftenden Betrieb. Mittlerweile verzichtet er unter anderem komplett auf die Zufütterung von Gen-Soja. Die einzelnen Buchten des Stalls hat Vogel mit diversen Spielgeräten wie Beißringen, Bällen und Bürsten zum Dranschubbern ausgestattet. Für einen Schweinestall ist alles recht sauber. Verkotete Buchten und mit Dreck verkrustete Tiere wie sie auf Skandalvideos über die Massentierhaltung im Internet zu finden sind, sucht man vergebens.

Einen Teil seiner Schweine lässt der Betriebschef nur rund 15 Kilometer entfernt von einem Metzger in Trebbin schlachten, um den Tieren den Stress eines langen Transportweges möglichst zu ersparen. Die anderen Tiere jedoch werden mangels Alternative bis ins sachsen-anhaltinische Weißenfels gebracht – rund 200 Kilometer entfernt. „Zur Wende gab es in Brandenburg noch 21 Großschlachthöfe, heute null.“

Gerade erst ist Vogel zudem der neuen Initiative Tierwohl beigetreten. Das Gemeinschaftsprojekt von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Einzelhandel soll die Bedeutung des Tierwohls innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette einen größeren Stellenwert verschaffen. Die Initiative hat hat dafür in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft Kriterien entwickelt, die eigenen Angaben zufolge deutlich über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen. Landwirte, die freiwillig bestimmte Maßnahmen umsetzen, erhalten unabhängig vom Marktpreis ein sogenanntes Tierwohlentgelt. Finanziert wird die Initiative durch die teilnehmenden Einzelhandelsketten. Seit dem 1. Januar 2015 zahlt der Handel für jedes verkaufte Kilo Fleisch- und Wurstware vier Cent in einen Tierwohlfonds.

Langfristig will sich Vogel mit der regionalen Marke „Saalower Kräuterschwein“ auf dem Markt etablieren. Dabei spielt es eigentlich nach Vogels Meinung gar keine Rolle, dass es sich bei seinen Schweinen um gewöhnliche Zuchttiere mit dänischer Genetik handelt. „Ein Schwein ist, was es frisst.“ Und dass seine Schweine mit ihrem Getreidefutter jedes Mal auch eine gute Portion Kräutersamen verspeisen, sei ihm 2006 aufgefallen. „Ich stand vor einem unserer Getreide und dachte, da sind aber extrem viele Kräuter drin. Eigentlich sind das gar keine Getreideschweine, sondern Kräuterschweine.“ Eine Tatsache, die sich auch im Geschmack des Fleisches niederschlage, findet der Bauer.

Erste Erfolge kann Andreas Vogel bereits verbuchen. Die Bratwurst etwa, die der Trebbiner Metzger aus seinen Kräuterschweinen herstellt, habe sich bereits als lokaler Renner erwiesen und werde wie das Fleisch auch mittlerweile von der auf regionale Produkte spezialisierten Havelland Express Frischdienst GmbH vertrieben. In mehreren Restaurants in Berlin und Brandenburg findet sich das „Saalower Kräuterschwein“ bereits auf den Speisenkarten – unter anderem im Ritz-Carlton am Potsdamer Platz. Sogar in Zinnowitz auf der Ostseeinsel Usedom habe er kürzlich sein Kräuterschwein auf dem Menü entdeckt. „Das macht einen schon stolz. Man hat den Eindruck, dass man den richtigen Weg geht.“

Grenzen aber setzt Vogel offenbar die emotional aufgeheizte Debatte um die Massentierhaltung. „Kürzlich war auch der Küchenchef vom Adlon bei mir. Der hat gesagt, das Produkt sei schon gut, aber bei meiner Haltungsform brauche er erst gar nicht mit unserem Fleisch ankommen“, berichtet Vogel frei heraus. Auch so schon habe er genug Ärger mit aufgebrachten Tierschützern, die sich an der ein oder anderen Delikatesse stoßen, habe ihm der Küchenchef des Luxus-Hotels gesagt.

Dabei ist Vogel in vielen Punkten ganz auf einer Linie mit den Kritikern der Massentierhaltung. „Diese Riesenanlagen passen einfach nicht ins Bild“, sagt er, während er auf dem Rückweg vom Schweinestall seinen staubigen VW-Passat über eine alte Panzerstraße steuert. Außerdem seien die Belastungen durch die anfallende Gülle und die damit verbundenen Transportfahrten einfach viel zu groß. Vogel selbst liefert seinen Schweinemist an eine benachbarte Biogasanlage, die wiederum den Schweinestall beheizt. Es sei zwar richtig, dass es in Brandenburg noch zu wenig Viehhaltung gebe, wie der Landesbauernverband und Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) immer wieder betonten. Doch statt wenigen großen müsse es vielmehr deutlich mehr kleine Betriebe geben, meint Vogel.

Zumindest was Schweine wirklich glücklich macht, scheint allerdings schwer vorhersehbar zu sein. Da können sich offenbar auch Experten irren. Eine der Schubber-Vorrichtungen, die Vogel angeschafft hat, wurde bereits zweckentfremdet. Im unteren Bereich der angebrachten Bürsten fehlen bereits sämtliche Borsten. „Die haben die einfach abgefressen“, sagt Schweineflüsterin Jape und zuckt mit den Schultern.

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