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DDR-Unrecht: Großer Bedarf an Opfer-Beratung in Brandenburg

Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragte Ulrike Poppe braucht mehr Personal

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Potsdam – Ohne Verstärkung sind Brandneburgs Erblasten wohl nicht mehr zu bewältigen: Brandenburgs Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Ulrike Poppe, ist mit ihrer Behörde an die Grenzen der Belastbarkeit geraten. Ihre Mitarbeiter und sie arbeiteten hart „hart am Limit“, sagte Poppe am Dienstag den PNN. Es gäbe im Land enormen „Nachholbedarf bei der Beratung und der Fortbildung“. Von März 2010, als die Landesbeauftragte ihre Arbeit aufgenommen hatte, bis Ende 2011 seien 2000 Bürger von lediglich zwei dafür zuständigen Mitarbeitern beraten worden. Diese Zahlen sollen bald im ersten Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragten und ihrer sieben Mitarbeiter veröffentlicht werden.

Im Gegensatz zu den anderen neuen Bundesländern hatte es in Brandenburg seit 1990 keine vergleichbare Anlaufstelle und auch keinen Landesstasibeauftragten gegeben. Erst als Enthüllungen über den hohen Anteil früherer Stasi-Spitzel etwa bei der Polizei und dann über einstige Inoffizielle Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes in den Reihen der erstmals im Land unter Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mitregierenden Linke-Fraktion schwere Erschütterungen ausgelöst hatten, wurde Poppe im Dezember 2009 ins Amt gewählt. Nun will sie einen zusätzlichen Berater einstellen. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur bietet für derlei Stellen eine 50-prozentige Förderung der Personalkosten an, die Poppe nun beantragt hat. Allerdings müssen die Länder die Stellen kofinanzieren. Derzeit wartet Poppe noch auf grünes Licht von der Stiftung. Es geht um rund 20 000 Euro jährlich, die gleiche Summe müsste das Land beisteuern.

CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski sagte, nach der von ihm eingebrachten, von Rot-Rot mitgetragenen, aber von FDP und Grünen abgelehnten Landtagsresolution über den Abschlussbericht zur Stasi-Überprüfung der Landtagsabgeordneten müsste SPD und die Linke Taten folgen lassen. In dem Kompromisspapier hatte Dombrowski durchgesetzt, dass der Landtag beschließt, in Brandenburg müsse mehr für die Opfer getan und insbesondere Poppe als Landesbeauftragte besser unterstützt werden. Im Gegenzug hatte Dombrowski, der in der DDR wegen Republikflucht als politischer Häftling im Gefängnis saß, Rot-Rot bei der Bewertung der Stasi-Fälle Zugeständnisse gemacht. Die vor zwei Jahren eingesetzte Überprüfungskommission unter Poppes Leitung hatte, wie berichtet, festgestellt, dass insgesamt sechs Linke-Parlamentarier Mitarbeiter der DDR-Geheimpolizei waren. Der Entschließungsantrag stellte lediglich die „schwere moralische Schuld“ dieser Abgeordneten fest, forderte aber keine weiteren Konsequenzen. Dombrowski sieht nach dem Entschließungsantrag Rot-Rot in der Pflicht. „Frau Poppe braucht dringend Verstärkung, sie ertrinkt in Arbeit“, sagte er, „denn sie gilt für viele Betroffene als letzte Instanz im Land.“

Bei den seit März 2010 bearbeiteten Fällen geht es laut Poppe um Rehabilitationsverfahren, Rentenausgleich für SED-Opfer, Leistungen für in Haft erlittene Gesundheitsschäden und Eigentumsfragen. „Es sind teils langwierige komplizierte Fälle“, bei denen die politische Benachteiligung durch Archivarbeit und zur Not vor Gerichten nachgewiesen werden müsse, sagte sie. Als Beispiel nannte sie einen Mann, der in fünfjähriger Haftzeit von der Stasi zur Mitarbeit gezwungen wurde und eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet, dies aber später verdrängt hatte. Dies werde nun zum Problem bei der erneuten Stasi- Überprüfung für den Antrag auf Rentenausgleichszahlungen. „Es kann sein, dass er eine Entschädigung von zig tausend Euro zurückzahlen muss. Das ist furchtbar und hart. Aber da gibt es Spielräume bei der Bewertung“, so Poppe. Ihre Mitarbeiter vermittelten auch psychosoziale Betreuung. Zunehmend suchten auch ehemalige Heimkinder Hilfe.

„Wir schaffen das alles nicht“, sagte Poppe den PNN. In vielen Fällen müssten die Menschen über einen längeren Zeitraum betreut werden: „Wir sind dann wochenlang damit beschäftigt.“ Zwar ist die zuständige Stelle für die berufliche Rehabilitierung im Innenministerium aufgestockt worden. Auch Platzeck hatte mehrfach Verbesserungen für SED- und Stasi-Opfer versprochen, für die Brandenburg lange als besonders penibel und bürokratisch galt. Doch viele Betroffene seien noch immer „unzufrieden mit der Auskunft der Behörden“, sagte Poppe.Alexander Fröhlich

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