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Brandenburg: Haftbefehl nach Terrorverdacht
Ein 19-jähriger Syrer, der als Asylsuchender in Potsdam-Mittelmark untergebracht war, soll Mitglied der Terror-Vereinigung IS sein
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Potsdam - Terror-Verdacht gegen einen syrischen Asylbewerber aus Potsdam-Mittelmark: Die Bundesanwaltschaft hat bei einem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs gegen einen 19-jährigen Syrer einen Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erwirkt. Der 19-jährige Shaas E. M. war als Asylsuchender in Potsdam-Mittelmark untergebracht. Er soll laut Bundesanwaltschaft „dringend verdächtig sein, sich der ausländischen terroristischen Vereinigung Islamischer Staat Irak und Großsyrien (ISIG) angeschlossen zu haben“. Der Heranwachsende soll sich 2013 in Syrien dem IS angeschlossen und „sich dort zumindest bis August 2015 als Mitglied dieser terroristischen Vereinigung beteiligt haben“, so die Bundesanwaltschaft.
Nach den bisherigen Ermittlungen, die die Anti-Terror-Soko „Salafisten“ beim Brandenburger Landeskriminalamt führte, nahm der Syrer an verschiedenen Militäroperationen des IS teil. Später soll er Lebensmittel zwischen verschiedenen Stützpunkten der Terrororganisation transportiert haben. Anhaltspunkte für konkrete Anschlagspläne oder -vorbereitungen liegen den Ermittlern bislang nicht vor. Auch ein Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen in Frankreich und Belgien besteht laut Bundesanwaltschaft nicht. In Gang gekommen waren die Ermittlungen der neu gegründeten und auf islamistische Terroristen angesetzten LKA-Soko durch einen Tipp aus dem Umfeld des Asylbewerbers. Der Syrer war im Landkreis Potsdam-Mittelmark untergebracht, er soll nach PNN-Informationen mit seinen Verbindungen zum IS geprahlt und sich mit seinen Taten gebrüstet haben.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte gegen den Syrer zunächst ein Verfahren wegen des Verdachts der Verabredung zu einem Verbrechen eingeleitet, Anti-Terror-Fahnder nahmen ihn am Dienstag vorläufig fest. Am Mittwoch dann zog die Bundesanwaltschaft den Fall an sich – wegen des Verdachts auf „mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland“. Am selben Tag wurde der Syrer dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt, der erließ Haftbefehl. Nun sitzt der 19-Jährige in Untersuchungshaft.
Ob ein Zusammenhang zu den Ende September 2015 bekannt gewordenen Terror-Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) gegen einen syrischen Asylbewerber in Brandenburg besteht, blieb unklar. Es gibt allerdings auffällige Parallelen zum aktuellen Fall . Der in einer brandenburgischen Unterkunft lebende Mann soll im Sommer Mitbewohnern über seine Zeit als Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) berichtet haben. Im von anderen Flüchtlingen heimlich per Handy gefilmten Gespräch habe der Syrer gesagt, dass er für die Terrormiliz getötet habe. Die Aufnahmen lösten die Ermittlungen des BKA im Auftrag der Bundesanwaltschaft aus. Der Syrer wurde von den Behörden als „Gefährder“ geführt.
Wie berichtet hat sich Brandenburgs Polizei wegen der neuen Herausforderungen durch den Islamismus neu aufgestellt. Bei der Anfang 2015 gegründeten Ermittlungsgruppe beim Landeskriminalamt (LKA) mit derzeit 18 Beamten landeten im ersten Jahr 336 Vorgänge. Sie soll auch unentdeckte islamistische Gruppen aufspüren. Erst kürzlich hatte Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke angekündigt, dass der polizeiliche Staatsschutz auch als Reaktion auf die wachsende Terror-Gefahr durch Islamisten und Salafisten aufgestockt werden soll. Brandenburgs Sicherheitsbehörden nehmen immer mehr Islamisten ins Visier, aktuell wird gegen 200 ermittelt. Erst kürzlich war durch PNN-Recherchen bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz im Land bis zu 80 als gefährlich eingestufte Islamisten beobachtet – doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Zudem hat sich die Zahl der sogenannten Gefährder in Brandenburg, denen Gewaltakte und Terroranschläge zugetraut werden, auf fast zehn verdoppelt. Für Brandenburg gelte weiterhin eine hohe abstrakte Terrorgefahr, sagte Mörke jüngst. „Zu jeder Zeit können terroristische Taten auch in unserem Land real werden.“ Mit der Nähe zu Berlin diene Brandenburg Islamisten als Rückzugsort und Ausgangspunkt zur Unterstützung oder Rekrutierung für den IS. Zahlreiche Verfahren beruhten auf Hinweisen von Flüchtlingen auf mutmaßliche Kriegsverbrecher und IS-Unterstützer.
Asylbewerber denunzieren sich teilweise wegen persönlicher Konflikte in den Unterkünften gegenseitig als IS-Terroristen. Es gibt auch Fälschungen, Verunglimpfungen oder Verwechslungen. Vorrangig haben die Sicherheitsbehörden in Brandenburg als potenzielle „Gefährder“ allerdings nicht im vergangenen Jahr nach Deutschland geflüchtete Asylbewerber im Visier, sondern Islamisten aus Tschetschenien und dem Nordkaukasus, die schon einige Jahre hier leben. Ein Beispiel: Im Januar 2015 hatte es eine Razzia gegen einen 30-jährigen Islamisten gegeben. Er war in einem Potsdamer Flüchtlingsheim am Schlaatz gemeldet. Nachdem in der Bundeshauptstadt zwei mutmaßliche Islamisten festgenommen worden waren, stießen die Ermittler bei der Überprüfung des Umfelds auf den in Potsdam lebenden Mann. Er soll Teil einer islamistischen Logistikzelle gewesen sein und aus der Kaukasusrepublik Dagestan stammen. Die Gruppe soll schwere staatsgefährdende Gewalttaten in Syrien vorbereitet und unterstützt haben. Alexander Fröhlich
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