Brandenburg: Harte Wochen für Rot-Rot
Erst der Schallschutz, nun die Kita-Finanzierung: Erneut unterliegt die Landesregierung vor Gericht
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Potsdam - Für die rot-rote Landesregierung sind es harte Wochen: Mehrfach muss sie herbe Rückschläge hinnehmen und die höchstrichterliche Bescheinigung, systematisch gegen geltendes Recht verstoßen und schwere handwerkliche Fehler in Gesetzgebungsverfahren gemacht zu haben. Erst das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG), das die Schallschutzmaßgaben für Anrainer des Hauptstadtflughafen BER für nichtig erklärte. Nun die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts, das ein Gesetz der rot-roten Regierungskoalition aus dem Jahr 2010 für rund 900 Erzieherstellen und eine besseren Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten für verfassungswidrig erklärte – weil die Finanzierung nicht stimmt. Das Gericht rügte dabei nicht nur die Methode der Berechung, die keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort nimmt, stattdessen eine Pauschale vorschreibt – sondern auch das Vorgehen des Landtags beim Gesetzgebungsverfahren. Die Abgeordneten der rot-roten Regierungskoalition nahmen bei der Anhörung 2010 die Warnungen des Städte- und Gemeindebundes, auch die Tariferhöhungen müssten im Rechenmodell Einfluss finden, nicht ernst und winkten die Vorlage des Bildungsministeriums im Parlament eilig durch. Ein schwerer Fehler, wie sich nun herausstellt.
Der andere Fehler aber wiegt noch schwerer: Das Land hat nach dem sogenannten Konnexitätsprinzip genau jene Mehrkosten zu tragen, die entstehen, wenn es den Kommunen neue Aufgaben überträgt. In diesem Fall ordnete der Landtag mit der Mehrheit von SPD und Linke an, dass eine Erzieherin in einer Kita nur noch 12 statt 13 Kinder und in Krippen nur noch 6 statt 7 Kleinkinder zu betreuen hat. Genau mit diesem Versprechen war Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach heftigen Protesten von Eltern und Erziehern in den Landtagswahlkampf 2009 und schließlich die rot-rote Koalition gezogen. Doch das pauschale Berechnungsmodell bewirkte genau dies nicht, was das Konnexitätsprinzip verlangt: dass es die in den Kommunen anfallenden Mehrkosten für insgesamt knapp 900 zusätzliche Erzieher trägt. Vielmehr entstand ein Finanzierungslücke. Nach Berechnungen des Städte- und Gemeindebundes sind es bei einem Landeszuschuss von 36 Millionen Euro im Jahr 2011 und 39 Millionen Euro im Jahr darauf genau 8 Millionen Euro, die in den Kommunen fehlen. Allein in Potsdam war es im Jahr 2011 eine Million Euro, die bei der Finanzierung der Extra-Erzieherstellen fehlte.
In der Landeshauptstadt wurde das Urteil des Verfassungsgerichts deshalb auch begrüßt. „Das Gericht hat unser Anliegen eins zu eins bestätigt“, sagte die Potsdamer Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger. „Wir sehen die Regelung des Landes, mehr Personal für die Betreuung der Kinder in Kitas einzusetzen, als richtigen Schritt an. Einzig die Finanzierung dafür an die Kommunen war aus unserer Sicht nicht angemessen.“
Für Münch, die die vom Verfassungsgericht gekippte Regelung von ihrem über eine Dienstwagenaffäre Anfang 2011 gestürzten Vorgänger Holger Rupprecht geerbt hat, ist das Urteil eine zusätzliche Belastung – denn sie ist ohnehin angeschlagen. Für Aufregung sorgte bereits, dass sie einen Stopp für Klassenfahrten verhängen musste, weil ein Gericht die bisherige Praxis monierte, dass Lehrer ihre Kosten dafür selbst tragen müssen.
Die Opposition im Landtag forderte Münch auf, das Gesetz zügig nachzubessern. Für CDU-Fraktion ist ein Armutszeugnis, dass „das Ministerium wieder einmal nicht in der Lage war, ein handwerklich sauberes Gesetz zu erarbeiten“. Selbst SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher nannte die Urteilsbegründung des Verfassungsgerichts nachvollziehbar. Münch müsse zeitnah eine verfassungskonforme Regelung vorlegen, damit schnell Rechtssicherheit hergestellt werden könne.
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