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Brandenburg: Heimattreu, aber einsam

Die Bertelsmann-Stiftung hat bundesweit den gesellschaftlichen Zusammenhalt untersucht. Brandenburg ist Fünftletzter

Von Matthias Matern

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Gütersloh/Potsdam - Brandenburger stehen auf Brandenburg mehr als Thüringer auf Thüringen, aber weniger als Hamburger auf Hamburg stehen. In keinem anderen Bundesland, abgesehen von den Stadtstaaten Hamburg und Bremen, ist die Identifikation mit der Heimat so groß wie in Brandenburg. Gleichzeitig aber haben Brandenburger vergleichsweise wenige gute Freunde, trauen den Institutionen ihres Landes kaum über den Weg und fühlen sich häufig ungerecht behandelt. Das sind einige Ergebnisse einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland, die am Montag veröffentlicht wurde. Unterm Strich landet Brandenburg damit beim Zusammenhalt im Bundesvergleich nur auf dem fünftletzten Platz – aber an der Spitze aller ostdeutscher Länder.

Ermittelt wird der Grad des Zusammenhalts anhand von 31 Indikatoren, die neun Dimensionen zugeordnet und wiederum in die Bereiche „Soziale Beziehungen“, „Verbundenheit mit dem Gemeinwesen“ und „Gemeinwohlorientierung“ eingeteilt wurden. Daraus ergibt sich den Autoren der Studie zufolge, dass die Deutschen im Vergleich zum Beginn der 90er-Jahre zwar insgesamt deutlich besser zusammenhalten, der Abstand zwischen Ost und West allerdings größer denn je ist. Am niedrigsten ist der Zusammenhalt demnach in Sachsen-Anhalt ausgeprägt. Vorletzter ist Mecklenburg-Vorpommern. Auf Platz 14 steht Thüringen und auf dem 13. Rang Sachsen. Am größten ist der Zusammenhalt dagegen in Hamburg.

Der Grund für die Ost-West-Schere ist nach Ansicht der Bertelsmann-Experten der Unterschied bei der absoluten Wirtschaftskraft und dem individuellen Wohlstand zwischen beiden Landesteilen. „Je höher das Bruttoinlandsprodukt eines Bundeslandes, je niedriger das Armutsrisiko, je urbaner das Wohnumfeld und je jünger die Bevölkerung, desto höher der Zusammenhalt“, erklärte Kai Unzicker, Experte für gesellschaftliche Entwicklung in der Bertelsmann-Stiftung.

In Brandenburg haben sich laut der Studie drei der neun Dimensionen (soziale Netze, Akzeptanz von Diversität, Solidarität und Hilfsbereitschaft) seit 1990 eher verschlechtert. Verbessert haben sich dagegen Identifikation, Anerkennung sozialer Regeln und gesellschaftliche Teilhabe. Kaum veränderten sich Vertrauen in Mitmenschen, Vertrauen in Institutionen und das Gerechtigkeitsempfinden.

Bei Letzterem gehört Brandenburg wie alle anderen ostdeutschen Bundesländer seit der Wiedervereinigung zur Schlussgruppe. Aus Sicht der Bertelsmann-Stiftung ist es für eine als ungerecht empfundene Situation bezeichnend, wenn Menschen von ihrer Regierung verlangen, vermeintliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Hierbei hält Brandenburg der Studie zufolge sogar den Rekord. „In vielen Regionen im Osten scheint der zwischenzeitliche Optimismus einer gewissen Ernüchterung gewichen zu sein“, sagte Unzicker.

Ebenfalls zur Schlussgruppe gehört Brandenburg neuerdings in punkto Akzeptanz von Diversität. In früheren Untersuchungen schnitten die Brandenburger mit ihrer Einstellung gegenüber Ausländern sowie Homosexuellen noch durchschnittlich ab. Zwar hat sich die Akzeptanz auch in Brandenburg verbessert, aber eben deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt. Schlusslicht ist Thüringen. Zwar seien Thüringer heute „deutlich toleranter“ gegenüber anderen sexuellen Orientierungen als 1990, hieß es. Allerdings akzeptierten sie es bundesweit am wenigsten, wenn Zuwanderer ihren traditionellen Lebensstil pflegen.

Auch mit den sozialen Bindungen sieht es in Brandenburg nicht besonders gut aus. Im Zeitraum 2004 bis 2008 war das Land bei der Frage, ob es außerhalb der Familie jemanden gibt, den man um Hilfe bitten könnte, sogar Schlusslicht. Zuletzt hat sich der Anteil derer mit engen Vertrauten zwar erhöht, weil aber der Bundesdurchschnitt schneller gewachsen ist, bleibt Brandenburg in der Schlussgruppe.

Aus der Gruppe der Ostländer hebt sich die Mark dafür bei der gesellschaftlichen Teilhabe positiv ab, nicht zuletzt dank eines vergleichsweise großen politischen Interesses. Laut Bertelsmann-Stiftung war zwischen 2009 und 2012 die Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl in keinem anderen Bundesland so hoch wie 2009 in Brandenburg – damals waren es 67 Prozent.

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