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Brandenburg: Hoffen verbindet

Gestern bangten die Italiener mit ihrem Team – und hatten ein wenig Mitleid mit den Deutschen

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In Italien machen die Deutschen gerne Urlaub. Aber wenn es um Fußball geht, hat die Liebe zu dem Land ihre Grenzen. „Ein deutsches Ehepaar kam jedes Jahr zu mir ins Hotel“, erzählt Massimo Mannozzi. Besagtes Ehepaar kam nach der Weltmeisterschaft 2006 plötzlich nicht mehr. Mannozzi war verblüfft.

Kaum ein Italiener in Berlin ist so umtriebig wie er. Ihm gehört das Bacco in der Marburger Straße, er verleiht den Premio Bacco auf der italienischen Filmgala „Notte delle stelle“ zur Berlinale. Und er leitet das Hotel Bacco an der toskanischen Riviera, das auf einmal auf ein deutsches Ehepaar verzichten musste. Verletzter Nationalstolz nach der Niederlage im WM-Halbfinale?

Mannozzi sind solche Gefühle zum Glück fremd. Denn für die italienische Nationalmannschaft wurde es im Spiel gegen Rumänien gestern kritisch. Nach der deutlichen 0:3-Niederlage im ersten Spiel gegen die Niederlande hätte ein weiterer Misserfolg das Aus bedeuten. Und dann? „Das ist ein Spiel mit einem Ball und 22 Leuten, die hinterher laufen. Da tut es mir nicht weh, wenn wir verlieren.“ Andere sehen das nicht so gelassen.

Wer weit oben ist, fällt bekanntlich tief. Angst vor dem Absturz hat so mancher Italiener in Berlin. „Die Niederlage hat uns traurig und besorgt gemacht“, sagt Laura Garavini, in Berlin lebende Abgeordnete im italienischen Parlament. „Die Gruppe ist wirklich hart“, sagt Marco Marino. Er ist italienischer Abstammung und arbeitet für Hertha BSC im Olympiastadion, der Ort ist seit zwei Jahren eine Pilgerstätte für italienische Fußballfans. Dort gewann Italien schließlich das WM-Finale gegen Frankreich. Die Besucherzahlen zu Führungen sind von 186 000 im Jahr 2005 sprunghaft auf 240 000 im Jahr 2006 gestiegen. Und nun? Lassen die Fans die Mannschaft nach dem schwachen Auftritt fallen?

„Ach, wir sind doch Weltmeister“, sagt Nathalie Bestazzoni. Nach solchen Erfolgen kann man nachsichtig sein, so wie die in Berlin geborene und mit sechs Jahren wieder nach Italien gezogene Studentin. Derzeit macht sie ein Praktikum am Italienischen Kulturinstitut Berlin. Außerdem ist die Hoffnung noch da. „Am Anfang spielen sie meistens schlecht. Und dann wachsen sie von Spiel zu Spiel“, sagt Marino. Gerade für die in Berlin und im Rest von Deutschland lebenden Italiener sind Erfolge ihrer Mannschaft wichtig. „Hier wird das leidenschaftlicher erlebt, weil man so an seine eigenen Wurzeln erinnert wird“, sagt Garavini.

Doch nicht nur Mannozzi hatte mit den Deutschen in Italien zu kämpfen. Auch die Italiener in Berlin hatten es nach dem WM-Sieg nicht leicht. „Für mich war es beim Weltmeisterschafts-Finale 2006 schon unangenehm, durch Berlin zu laufen“, sagt Bestazzoni. Es war dieses Gefühl, dass Italien plötzlich nicht mehr schön und die Italiener nicht mehr die lustigen Südländer sind. „Die Niederlage haben die Deutschen noch im Herzen“, glaubt sie. Das kann sich doch eigentlich nur ändern, wenn die Italiener nun rausfliegen. „Nein, dann hat Deutschland die Genugtuung ja nicht selbst geschafft“, sagt Marino. Hilft nur eins. Beide Teams müssen durchhalten. Bis zum Finale.Matthias Jekosch

Matthias Jekosch

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