Brandenburg: Hohe Haftstrafe für versuchten Absturz
52-Jähriger wollte in 1500 Meter Höhe erst den Fluglehrer ausschalten und dann in einer Cessna sterben
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Frankfurt (Oder) - Am Ende des langen Prozesstages versteckte die 85-jährige Mutter ihre Tränen hinter einer großen und dunklen Brille. Sie reagierte kaum noch auf die Zeichensprache ihres 52-jährigen Sohnes, der in einem der mysteriösesten Brandenburger Kriminalfälle gerade zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Das Landgericht in Frankfurt (Oder) sah in seinem Urteil keinen Zweifel daran, dass sich der aus Griechenland stammende Schuhdesigner Kleomenis St. als Flugschüler bei einem Absturz selbst ums Leben bringen wollte und dabei billigend den Tod des Fluglehrers in Kauf genommen habe. Deshalb sei er wegen versuchten Mordes, schwerer Köperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr bestraft worden. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine 12-jährige Freiheitsstrafe verlangt.
Nach der Darstellung des 72-jährigen Fluglehrers Winfried G. und den Ermittlungen von Gutachtern müssen sich am 21. Juni vergangenen Jahres dramatische Szenen in rund 1500 Meter Höhe abgespielt haben. Fluglehrer und Flugschüler waren am Mittag erst zu ihrem zweiten gemeinsamen Flug vom Flugplatz Strausberg aufgebrochen. „Mein Flugschüler gab vor, aus der mitgebrachten Tasche eine Trinkflasche zu holen“, erzählte der einstige Offizier der NVA-Luftstreitkräfte. „Stattdessen schlug er aber mit einem großen Mineralstein dreimal gegen mein Gesicht und drückte mit den Daumen in meine Augenhöhlen.“ Er habe dann versucht, den Steuerknüppel nach vorn zu drücken, um einen Sturzflug auszulösen. Trotz des Handgemenges sei ihm aber auf einer Wiese im Oderbruch eine Notlandung gelungen. Die Cessna überschlug sich an einer Böschung. Beide Insassen seien mit Verletzungen aus dem Cockpit geklettert, wobei der Angeklagte noch mit dem Messer auf ihn losgegangen sei.
Beim Herbeieilen von Anwohnern aus der Nähe ergriff der Flugschüler die Flucht. Die Polizei entdeckte ihn zwar auf einem Oderhang, hielt ihn aber zunächst für tot. Wenig später rannte er in einem passenden Moment zum Flugzeug zurück, um den an Bord geschmuggelten Stein an sich zu nehmen. Als er diesen im Cockpit nicht fand, versteckte er sich erneut in den Oderwiesen. Eine Hundestaffel fand ihn schließlich und nahm ihn fest.
Der große Mineralstein stellte für das Gericht einen entscheidenden Beweis dar. Ein Zeuge aus Berlin, bei dem der Grieche vor dem entscheidenden Flug mehrere Tage übernachtet hatte, erkannte ihn als sein Eigentum wieder. „Er muss ihn aus meiner Vitrine genommen haben“, sagte der Vermieter. Beim Überschlagen der Cessna war dieser Stein, auf dem sich Blutspuren des Fluglehrers fanden, in der Flugzeugkanzel eingekeilt worden.
Keinen Glauben schenkte das Gericht der Schilderung des Angeklagten, wonach der Fluglehrer ihn während des Fluges sexuell belästigt habe und er die Maschine zum Absturz habe bringen wollen. „Sie wollen mit einer lebensfremden Schilderung das Opfer zum Täter machen“, erklärte der Richter. Er habe sich die angeblichen Stichverletzungen durch den Fluglehrer selbst beigebracht, wie auch die gerichtsärztlichen Gutachter festgestellt hatten. „40 parallele Schnitte am Unterarm entstehen nicht in einem Handgemenge“, sagte Richter Fuchs. Fluglehrer Winfried G. wies sämtliche homosexuelle Angriffe als Verleumdung zurück.
Im Unklaren blieb das Motiv für den geplanten Flugzeugabsturz. Kleomenis St. ist zwar seit Jahren HIV-positiv, aber dank der täglich eingenommenen Medikamente war er nicht lebensbedrohlich erkrankt. Er hatte eine Unfallversicherung in Höhe von 20 000 Euro abgeschlossen, die an seine Mutter ausgezahlt worden wäre. Claus-Dieter Steyer
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